GERMAN DESIGN GRADUATES
Unter dem Titel „Dare to Design“ findet die Ausstellung samt Preisverleihung der German Design Graduates dieses Jahr im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg statt: DDCAST-Host Georg-Christof Bertsch berichtet von der Eröffnung und davon, weshalb diese Plattform für Absolvent*innen der deutschen Designhochschulen immer wichtiger wird.
Um nicht lange um den heißen Brei herumzureden – das sind die Siegerinnen des diesjährigen German Design Graduates Award:
Kategorie „Nachhaltigkeit & Zirkularität“
Leila Wallisse mit dem Projekt „Toxic Legacies“
Kategorie „Forschung & Transfer“
Beatriz Oria Lombardia mit dem Projekt „(Non-)Local Lab“
Kategorie „Gesellschaft & Gemeinschaft“
Anna Unterstab mit dem Projekt „Bücheria“,
Gratulation!
Das sind großartige Arbeiten. Und um noch eins draufzusatteln: Alle 40+ Finalist*innen hätten Preise verdient. Wir bewegen uns mit den Abschlussarbeiten auf einem exzellenten Niveau. Dank der German Design Graduates (GDG) wird das endlich sichtbar. Auf den Jurypreis, den vierten der Preise, gehe ich weiter unten ein.
Die Designerin Ineke Hans sagte auf der Bühne im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe (MK&G) vor einem erstaunlich großen Auditorium: „Als ich aus den Niederlanden an die UdK nach Berlin kam, fragte ich mich: Wo ist das junge Deutsche Design zu sehen?“. Wer Ineke kennt, weiß, dass es bei ihr nie bei einer solchen Frage bleibt. Kurzum: Mark Braun (HBK Saar), Hermann August Weizenegger (FH Potsdam) und sie gründeten die German Design Graduates, die inzwischen unter den Fittichen des Rat für Formgebung ein perfektes Entwicklungsmilieu gefunden haben. Katrin Krupka, die die GDG von Anfang an organisiert hat, macht das nun für den Rat.
„Design nicht als Gig, sondern Design als kontinuierliches Engagement.“
Kris Krois
Aber was soll das: German Design Graduates? „Design nicht als Gig, sondern Design als kontinuierliches Engagement.“ Kris Krois, Professor an der Fakultät für Design und Künste der Freien Universität Bozen, sagte dies in seiner unvergleichlich trockenen, freundlichen und verbindlichen Art auf derselben Bühne in Hamburg.
Genau darum geht es. Wenn wir einmal in diese Designszene, in diese Designprojekte, in diese Welt eingetaucht sind, dann gibt es kein Entkommen mehr. Dann sind wir in einem kontinuierlichen Prozess der Verknüpfungen gefangen, oder positiv formuliert, dann haben wir ein riesiges Netzwerk von Beziehungen und ein ungeheuerliches Potenzial an Möglichkeiten vor uns. Dann dürfen wir den Begriff „Dystopie“ in das Kellerregal legen und getrost vergessen. Denn Design ist ein unerschöpflicher UTOPIE-Motor. Wo kann man das besser sehen als bei den GDG, wo die besten Absolvent*innen ihren gesamten Grips, ihr gesamtes Wissen ausstellen. Das ist das Potenzial von Design.
Im Gegensatz zu einer Aussage auf der Bühne auf die Frage: „Was soll man nach dem Studium tun?“, sage ich ganz klar: Du musst so richtig IN die Designblase eintauchen. NICHT RAUS AUS DER DESIGNBLASE, sondern REIN. Kümmere dich erstmal NUR um Design und sonst um nichts. Und für diesen Einstieg in die Designszene sind die GDG ideal. Es ist kaum zu fassen, wie viele Junge Leute allein ich an diesem Abend Professor*innen, Chef*innen von Designfirmen und Presseleuten vorgestellt habe. Und das fand parallel in Dutzenden Gesprächen statt. Also, die GDG sind genau das: ein Platz, wo man so richtig in die Designblase REINKOMMEN kann.
Nach dem Studium müssen alle den Beruf erstmal DISZIPLINÄR erlernen. Von daher ist das leichtfertige Reden über „Inter- und Transdisziplinarität“ höchst problematisch. Ja, da müssen wir natürlich hin, aber nach dem Studium müssen die jungen Leute erstmal die Freiheit haben, zu lernen, was es heißt, Designer*in zu sein, damit Geld zu verdienen und nicht in den vermeintlich sicheren Hafen des akademischen Betriebs zurückzufliehen.
Die Designszene kann nur – auch dafür sind die GDG gut – einen relevanten Status in der Gesellschaft erreichen, wenn sie als ökonomischer Faktor relevant ist. Wenn Designer*innen nur als öffentliche Angestellte oder Beamt*innen existieren können, dann kommen wir nirgends hin. Die GDG verbinden Designer*innen mit der Industrie.
Designer Tobias Trübenbacher sagte auf die Frage, was sich in der Designausbildung ändern muss: „Wir brauchen mehr Vorbereitung auf den Beruf.“ Beim anschließenden Empfang kamen wir auf die fehlenden Inkubatoren, Acceleratoren, Seed-Fundings an den Designhochschulen zu sprechen. Das sind Brücken in den Beruf, die an Technischen Universitäten ganz selbstverständlich sind; nicht aber in den an Kunsthochschulen gekoppelten Designfakultäten. Das ist eine riesige Baustelle. Da helfen der Rat für Formgebung und die Sponsor*innen, die man den gerade absolvierten Designer*innen vorstellen kann, ein wenig.
Der aus meiner Sicht wichtigste Preis zum Fokus-Thema „Inklusion“ ging an das Projekt „Vruit“ von Juliane Kühr, Absolventin der HBK Saar. Es ist der Preis der gesamten Jury, alle neun Juror*innen aus den drei Basiskategorien stimmten zusammen dafür ab: Andrea Augsten, Barbara Lersch, Lynn Harles, Leif Huff, Kris Krois, Stefan Ott, Florian Sametinger, Ronja Scholz und Tobias Trübenbacher.
Dieser Artikel ist nicht der Ort, um „Vruit“ im Detail zu beschreiben. Das lässt sich leicht googeln. Juliane Kühr wird 2024 in einem DDCAST auch Stellung dazu beziehen. Ihren Namen sollten wir uns merken.
Wie funktioniert German Design Graduates? Kuratiert vom Rat für Formgebung bietet die Präsentation einen Überblick der aktuellen Positionen jungen Designs aus Deutschland. Die jährlich stattfindende Gruppenausstellung ist auch erstmals im MK&G zu Gast. Zu den Themenfeldern der Abschlussarbeiten zählen unter anderem Polizeigewalt, Kinderrechte, Empowerment und Inklusion, aber auch das Zusammenleben von Mensch und Tier, die Entwicklung neuer Materialien und das Potenzial invasiver Pflanzenarten. Die Ausstellung bietet Graduierten eine wunderbare Plattform, um ihre Ideen einer größeren Öffentlichkeit zu präsentieren und in einen Dialog mit weiteren Expert*innen, Produzent*innen und Besucher*innen zu kommen. Als eines der größten Gestaltungsmuseen seiner Art ist das MK&G ein wirklich idealer Ort dafür. Die GDG ist eine Veranstaltung, die Jahr für Jahr wichtiger wird. Es lohnt sich sehr, die Ausstellung bis Anfang Oktober zu besuchen.
Ausstellung German Design Graduates
MK&G Hamburg
Noch bis zum 08. Oktober 2023