Beiträge im Überblick
Voller Vergütungsanspruch trotz Absage wegen Corona / Mai 2023
Fototapete als Abmahnfalle / April 2023
Meilenstein für Equal Pay / März 2023
Keine Haftung für Affiliates / Februar 2023
„The Real Badman & Robben“ reloaded / Januar 2023
Black Friday – Marke verfallen / Dezember 2022
Gold des Lindt-Hasen geschützt / November 2022
Verzicht auf Urhebernennung wirksam / Oktober 2022
Kein Markenrecht an „Malle“ mehr / September 2022
Compliance – Haftungsrisiko der Geschäftsführung / August 2022
Gendern im E-Commerce / Juli 2022
Gendern versus Urheberrecht / Juni 2022
„Buchung abschließen“ nicht eindeutig genug / Mai 2022
Miturheberschaft durch Umsetzung eines Gestaltungskonzepts / April 2022
Tina Turner – „What you get is what you see“? / März 2022
Ende der Ära Würmchenmuster in Berliner Bussen und Bahnen? / Februar 2022
Inbox Advertising / Januar 2022
Haftungsfalle Cookie-Banner, Vol. 2 / Dezember 2021
Markenschutz für „Oktoberfest“ / November 2021
Haftungsfalle Cookie-Banner / Oktober 2021
Urheberrecht an Foto sticht Urheberrecht an Motiv / September 2021
Urheberrecht an Affen-Selfie / August 2021
Unwesentliche Beiwerke in Filmbeiträgen / Juli 2021
Vorsicht bei Datentransfers ins Ausland / Juni 2021
Design von LEGO bleibt vorerst geschützt / Mai 2021
Angemessene Urhebervergütung „Das Boot“ reloaded / April 2021
EU-Cookie-Richtlinie soll in nationales Recht umgesetzt werden / März 2021
Prominentenfotos als „Klickköder“ unzulässig / Februar 2021
„Hey Pippi Langstrumpf“ und ein Koffer voller Gold? / Januar 2021
Nachvergütung für „Keinohrhasen“ / Dezember 2020
Das neue Anti-Abmahngesetz / November 2020
Aus für „Badman & Robben“? / Oktober 2020
Quadratisch. Praktisch. Geschützt. / September 2020
Kein Urheberrecht für „Früher war mehr Lametta“ / August 2020
Klarer Rechtsrahmen für Influencer-Marketing / Juli 2020
Cookies auf Websiten erfordern aktive Zustimmung / Juni 2020
Mai 2023
Voller Vergütungsanspruch trotz Absage wegen Corona
Ein Hochzeitspaar aus Hessen hatte im Sommer 2020 seine geplante Hochzeitsfeier abgesagt, weil es nicht mit Maske und Abstand feiern wollte. Die Trauung wurde verschoben und der bereits engagierten Fotografin gekündigt. Die vereinbarte Vergütung muss ihr dennoch bezahlt werden, bestätigte nun der BGH.
Geklagt hatte das Brautpaar. Es verlangte von der ursprünglich engagierten Hochzeitsfotografin die Rückzahlung der vom Brautpaar geleisteten Anzahlung. Die Kläger wollten am 1. August 2020 mit rund 100 Gästen ihre kirchliche Hochzeit feiern und buchten für dieses Event bei der Beklagten das Paket „Unser Tag XXL“, das eine zehnstündige fotografische Begleitung vorsah. Der Preis betrug knapp 2.500 Euro. Etwa die Hälfte erhielt die Fotografin als Anzahlung.
Als sich abzeichnete, dass die Festlichkeiten aufgrund der Pandemiebeschränkungen nicht wie geplant würden stattfinden können, verschob das Paar die Feier um ein Jahr. In diesem Zuge kündigte es der Fotografin auch für den Nachholtermin, weil nun ein anderer Fotograf das Fest begleiten sollte, der auch schon bei der standesamtlichen Hochzeit die Bilder gemacht hatte und der beim ersten Termin verhindert gewesen wäre.
Daraufhin verlangte die Fotografin ein weiteres Honorar von rund 550 Euro. Das Paar lehnte ab, berief sich auf den „Rücktritt“ beziehungsweise die „Kündigung“ und verlangte die geleistete Anzahlung von der Beklagten zurück. Nachdem die Zahlung ausblieb, klagte das Paar schließlich auf Rückzahlung und Feststellung durch alle Instanzen, dass eine Pflicht zur weiteren Zahlung nicht bestehe. Ohne Erfolg.
Im Einklang mit den Vorinstanzen entschied der BGH, dass ein Anspruch auf Rückgewähr der Anzahlung nicht aus einer Unmöglichkeit der Leistung folge, denn die geplante Trauung sei nach den zu diesem Zeitpunkt geltenden hessischen Corona-Verordnungen prinzipiell möglich gewesen. Dass die Feier nur mit weniger Gästen und weiteren Beschränkungen hätte stattfinden müssen, führe nicht zur Unmöglichkeit der Leistungserbringung (Urteil vom 27.04.2023, Az. VII ZR 144/22).
Auch auf eine „Störung der Geschäftsgrundlage“ könnten sich die Kläger nicht berufen. Mangels ausdrücklicher Absprachen zwischen den Parteien, musste das Gericht entscheiden, was vernünftige Vertragspartner in beiderseitigem Interesse miteinander vereinbart hätten, wenn sie diese Situation bedacht hätten. Maßgeblich war schließlich für das Gericht das Interesse der Fotografin, auch bei dem neuen Termin die Bilder zu machen. Der Umstand, dass das Paar nach Absage des ursprünglich vereinbarten Termins nur aus Gründen, die nicht im Verantwortungsbereich der Fotografin lagen, einen anderen Fotografen bevorzugte, befreie die Kläger deshalb nicht vor der Vergütungspflicht für die bestellte Leistung. Grundsätzlich gilt also, dass ein Auftraggeber zwar gesetzlich jederzeit zur Kündigung gemäß §648 S.1 BGB berechtigt ist, dem Auftragnehmer dann aber die vereinbarte Vergütung schuldet. Abgezogen werden können nur Aufwendungen, die der Auftragnehmer infolge der Kündigung erspart, wie beispielsweise Material- oder Fahrtkosten. Auf dieser Grundlage standen der Beklagten unter dem Strich rund 2.100 Euro zu.
April 2023
Fototapete als Abmahnfalle
Die Veröffentlichung von Bildern einer Fototapete kann das Urheberrecht des motivgebenden Fotografen verletzen. Wohnungsvermietung als Abmahnfalle.
Stellt der Vermieter einer Ferienwohnung Bilder in das Internet, auf denen eine Fototapete zu sehen ist, so kann dies zu einer Verletzung der Rechte des Urhebers des Motivs der Fototapete führen, LG Köln 14 O 350/21. Im konkreten Fall ging es um die Abbildung einer Tapete, auf der unter anderem eine Tulpe aufgemalt war. Diese Malerei war einem Foto entlehnt worden. Der Fotograf hatte der Verwendung seines Motivs für die Gestaltung der Tapete zugestimmt, nicht aber weiteren Abbildungen hiervon. Aus diesem Grunde wertete das Landgericht Köln die Vervielfältigung der Tapete und deren öffentliche Zugänglichmachung durch Veröffentlichung auf einem Portal für die Vermietung von Ferienimmobilien als Urheberrechtsverletzung.
In der Gestattung zur Verwendung des Motivs auf einer Tapete liege nicht gleichzeitig die Einwilligung in weitere Vervielfältigungen (durch Ablichtung der Tapete). Diese Beurteilung ist nicht anzugreifen, denn generell ist mit dem Kauf eines geschützten Werks keine Lizenz zur weiteren urheberrechtlich relevanten Nutzung verbunden. Auf eine lizenzfreie Privatkopie (53 UrhG) konnte sich die Eigentümerin nicht berufen, weil das Foto für Vermietungszwecke verwendet wurde. Das LG Köln lehnte auch die Einordnung der Tapete als unwesentliches Beiwerk auf dem Vermietungsfoto ab. § 57 UrhG regelt die Zulässigkeit einer „Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, wenn sie als unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe anzusehen sind“.
Im Einklang mit der zu diesem Komplex bislang ergangenen Rechtsprechung bestätigte das LG Köln, dass eine Werkabbildung nur dann „unwesentlich“ im Sinne diese Bestimmung sei, „wenn das Werk weggelassen oder ausgetauscht werden könnte, ohne dass dies dem durchschnittlichen Betrachter auffiele oder ohne dass die Gesamtwirkung des Hauptgegenstands in irgendeiner Weise beeinflusst wird.“ Bei einer Fototapete, die die Anmutung eines Raums wesentlich prägt, kann von einem unwesentlichen Beiwerk in diesem Sinne nicht gesprochen werden.
Die Entscheidung des LG Köln überrascht den Urheberrechtler in keiner Weise. Sie entspricht in ihrer Begründung gefestigter Rechtsprechung. Insbesondere im Bereich des (Werbe-) Films ist seit Langem bekannt, dass Kunstwerke, Fotos und Designobjekte aus den Motiven genommen werden müssen und nicht im Bild erscheinen dürfen. Das Besondere am Fall des LG Köln ist, dass Rechteinhaber offenbar dazu übergehen, mittelständische Unternehmen und auch Privatunternehmen gezielt abzumahnen, wenn sie geschützte Gegenstände und Werke in Fotos von ihren Räumen abbilden. In Rechtskreisen wird davon ausgegangen, dass diese Art der „Wertschöpfung“ zukünftig noch zunehmen wird und sich zunehmend auf den Bereich des Designschutzes (also etwa auf Möbel, Lampen, Küchengeräte) erweitern wird.
März 2023
Meilenstein für Equal Pay
Das Gebot zur gleichen Vergütung von Männern und Frauen setzt der Privatautonomie Grenzen. Nach dem neuesten Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 16. Februar 2023, Az. 8 AZR 450/21, kann Verhandlungsgeschick allein bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit kein geeignetes Kriterium zur Rechtfertigung einer Entgeltungleichheit sein.
Eine bei einem Metallunternehmen in Meissen beschäftigte Außendienstmitarbeiterin, die im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen auf derselben Position weniger verdiente, hatte auf Zahlung der monatlichen Differenzbeträge sowie einer einmaligen Entschädigung geklagt.
Die Klägerin trat im März 2017 in das Unternehmen ein und verdiente anfangs 3.500 Euro brutto. Neben der Klägerin waren als Außendienstmitarbeiter im Vertrieb der Beklagten zwei männliche Arbeitnehmer beschäftigt, einer davon seit dem 1. Januar 2017. Dieser Mitarbeiter hatte erfolgreich ein monatliches Grundgehalt von 4.500 Euro brutto verhandelt, nachdem ihm der Arbeitgeber zunächst ebenfalls 3.500 Euro brutto angeboten hatte. Der weitere Kollege war seit über 30 Jahren im Unternehmen als „Leiter Vertrieb Gehäuse und Kommunikationstechnik“ mit einem außertariflichen Monatsgehalt von 4.500 Euro brutto tätig. Ein Diskriminierungsverbot wegen des Geschlechts und damit Equal Pay sind im AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz), im Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) und im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verankert. Nur objektive, geschlechtsneutrale Gründe wie Qualifikation oder Berufserfahrung können bei gleicher Tätigkeit eine unterschiedliche Bezahlung rechtfertigen. Die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Rechtsstreit um Equal Pay richtet sich dabei nach § 22 AGG, der zugunsten von Beschäftigten eine Erleichterung der Darlegungslast sowie eine Umkehr der Beweislast vorsieht. Können Beschäftigte Indizien darlegen, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.
Auf diese Grundlage stützte die Klägerin ihren Anspruch auf Zahlung der Differenzbeträge zum Gehalt des männlichen Kollegen, der zeitgleich mit ihr eingestellt worden war. Die Klage blieb jedoch zunächst erfolglos. Denn sowohl das Arbeitsgericht Dresden als auch das Landesarbeitsgericht Sachsen hielten die ungleiche Bezahlung für gerechtfertigt, denn der Mann sei nur zu dem höheren Gehalt bereit gewesen, den Job anzunehmen. Das Interesse des Unternehmens an der Mitarbeitergewinnung rechtfertige die Gehaltsunterschiede, die Mitarbeitergewinnung sei ein objektives Kriterium.
Die Klägerin ging dagegen in die Revision – dieses Mal mit Erfolg. Das BAG folgte den Vorinstanzen nicht und sah in der Konstellation einen Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgebot. Wird ein männlicher Mitarbeiter besser bezahlt als eine weibliche Mitarbeiterin mit gleicher Tätigkeit, wird allein hierdurch bereits die Benachteiligung indiziert. Die Führung des Beweises, dass es für die höhere Vergütung des männlichen Kollegen Gründe gibt, die nicht mit dem Geschlecht der Mitarbeitenden zusammenhängen, sei dem beklagten Unternehmen im vorliegenden Fall nicht gelungen. Der Klägerin stehe daher ein Anspruch aus Art. 157 AEUV, § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG auf das gleiche Grundentgelt wie ihrem männlichen Kollegen zu.
Die Entscheidung des BAG ist, trotz eigentlich sehr eindeutigem Wortlaut sowohl des AGG als auch des EntgTranspG, ein Meilenstein auf dem Weg zu echter Entgeltgleichheit und hat enorme praktische Relevanz. Sie begrenzt den Grundsatz der Privatautonomie bei der Verhandlung von Arbeitsverträgen durch das Gebot der Entgeltgleichheit – ganz im Sinne des Gesetzeswortlautes von AGG und EntgTranspG.
Laut dem Statistischen Bundesamt haben Frauen im Jahr 2021 in Deutschland pro Stunde durchschnittlich 18 Prozent weniger verdient als Männer. Das AGG und das EntgTransG sollen hier einen Riegel vorschieben, wenn es keine objektiven Differenzierungsgründe gibt. Würde man dennoch das Verhandlungsgeschick eines männlichen Bewerbers als Differenzierungsgrund zulassen, würde man dem Gender-Pay-Gap in letzter Konsequenz geradezu Tür und Tor öffnen.
Praktische Relevanz hat das Urteil vor allem für Unternehmen, die kein allgemeines und objektives Stellenbewertungssystem haben. Sofern die Gehaltsfindung individualisiert stattfindet, muss zukünftig vorsichtig handeln, wer unterschiedliche Gehälter für die gleiche Tätigkeit vereinbart. Jedenfalls reicht der Verweis auf die Verhandlungsstärke des Gegenübers spätestens nach der aktuellen BAG-Entscheidung nicht mehr aus. Unternehmen sind daher gut beraten, Differenzierungsgründe bei der Gehaltsfindung zu dokumentieren, die explizit geschlechtsunabhängig sind. Das können spezifische Kenntnisse, die Berufserfahrung oder ein besonderer Ausbildungsstand sein. Wichtig ist dabei also, dass Gehaltsdifferenzen möglichst immer auf objektive und nachvollziehbare Kriterien gestützt werden.
Februar 2023
Keine Haftung für Affiliates
Wer als Verkäufer ein Affiliate-Programm auflegt, um seine Verkaufszahlen zu steigern, haftet nicht für Rechtsverstöße seiner Affiliate-Partner.
Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat entschieden, dass der Betreiber eines Affiliate-Programms nicht für die irreführende Werbung eines Affiliates haftet, wenn dieser im Rahmen eines eigenen Produkt- oder Dienstleistungsangebots tätig geworden ist und es deshalb an einer Erweiterung des Geschäftsbetriebs des Betreibers des Affiliate-Programms fehlt.
Geklagt hatte der Matratzenhersteller bett1.de gegen verschiedene Gesellschaften der Amazon-Gruppe, weil ein sogenannter Affiliate von Amazon auf seiner Webseite Verlinkungen zu Matratzenangeboten von Amazon unter anderem in gefälschten Testberichten und unseriösen Produktempfehlungen platziert hatte. Im Rahmen des Amazon-Partnerprogramms steht es Dritten, sogenannten Affiliates, frei, auf der eigenen Webseite Links auf Angebote der Verkaufsplattform zu setzen. Wird dadurch ein Verkauf vermittelt, erhält der Affiliate als Provision einen prozentualen Anteil am Kaufpreis. Der Matratzenhersteller argumentierte, dass sich Amazon nicht darauf zurückziehen könne, die Angebote seiner Affiliates nicht beeinflussen zu können. Denn zum einen würde Amazon über die Verlinkung seiner Angebote den eigenen Umsatz steigern und zum anderen würden die Affiliates hierfür im Rahmen des angebotenen Affiliate-Programms von Amazon vergütet.
Nachdem die Klage bereits von den Vorinstanzen abgewiesen wurde, hat nun auch der Bundesgerichtshof die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Die beanstandete Werbung sei zwar irreführend und daher wettbewerbswidrig. Amazon sei für diesen Wettbewerbsverstoß des Affiliates aber weder als Täter noch als Teilnehmer verantwortlich. Auch die Voraussetzungen einer Haftung des Unternehmensinhabers für Beauftragte nach § 8 Abs. 2 UWG lägen nicht vor. Laut § 8 Abs. 2 UWG haftet ein Unternehmen auch für fremde unlautere geschäftliche Handlungen, wenn sie „von einem Mitarbeiter oder Beauftragten“ begangen werden.
Der innere Grund für die haftungsbegründende Zurechnung der Geschäftstätigkeit des Beauftragten gemäß § 8 Abs. 2 UWG liege vor allem in einer dem Betriebsinhaber zugutekommenden Erweiterung seines Geschäftsbetriebs und einer gewissen Beherrschung des Risikobereichs durch den Betriebsinhaber, so der BGH.
Hieran fehle es beim streitgegenständlichen Affiliate-Programm. Der Affiliate werde bei der Verlinkung nicht in Erfüllung eines Auftrags beziehungsweise der mit Amazon geschlossenen Vereinbarung tätig, sondern im Rahmen des von ihm entwickelten Produkts. Das rechtswidrige Internetangebot des Affiliates, eine Webseite rund um die Themen Schlaf und Matratzen, sei vom Affiliate nach eigenem Ermessen gestaltet worden. Die Links zu Amazon seien Teil dieser Webseite und würden vom Affiliate nur gesetzt, um darüber Einnahmen aus Provisionen zu generieren. Ein solcher eigener Geschäftsbetrieb eines Affiliates stelle keine Erweiterung des Geschäftsbetriebs von Amazon dar.
Amazon habe auf die Gestaltung der Website des Affiliates keine Einflussmöglichkeiten und sei auch nicht verpflichtet, sich einen durchsetzbaren Einfluss im Rahmen ihrer Affiliate-Programme zu sichern.
Januar 2023
„The Real Badman & Robben“ reloaded
Der Rechtsstreit um „The Real Badman & Robben“ ist immer noch nicht entschieden. Zu klären ist, ob es sich bei der Verbindung zweier Werkteile (hier Text und Karikatur) um ein Gesamtkunstwerk oder um eine nicht-schutzfähige Idee handelt.
Im Jahr 2020 war an dieser Stelle bereits über den Rechtsstreit eines Grafikers gegen die FC Bayern München AG („FC Bayern“) berichtet worden. Der Kläger hatte riesige Karikaturen der beiden Ex-Bayern-Stars Franck Ribéry und Arjen Robben als Varianten von Batman und Robin entworfen, die beim DFB-Pokal-Halbfinale zwischen den Bayern und Borussia Dortmund im April 2015 in der Münchner Allianz Arena in der Fankurve der Bayern gezeigt wurden. Darunter hatte er den Slogan „The Real Badman & Robben“ platziert.
Der FC Bayern fand Gefallen an dieser Darstellung und schlug dem Grafiker zunächst vor, sie gemeinsam zu vermarkten. Nachdem der Grafiker hierauf nicht einging, ließ der FC Bayern den Slogan zusammen mit neu gezeichneten, aber ganz ähnlichen Motiven auf Merchandising-Artikel, wie beispielsweise Becher und T-Shirts drucken und vertrieb die Artikel über seinen Fanshop. Hiergegen klagte der Grafiker wegen Verletzung seines Urheberrechts vor dem Landgericht München auf Unterlassung. Der FC Bayern verteidigte sich damit, dass die Figuren „Batman & Robin“ und deren Gestaltung mit Maske nicht vom Kläger stammten, sondern vorbestehende Werke seien. Die vermarktete Darstellung sei eine neue Kreation und knüpfe nicht an das Werkschaffen des Grafikers an, sondern an diese vorbestehenden Werke. Der Slogan sei nicht selbständig schutzfähig, weil es ihm an der notwendigen Kreativität für die urheberrechtliche Gestaltungshöhe fehle.
Das Landgericht München folgte dieser Sichtweise nicht, sondern verurteilte den FC Bayern mit der Argumentation, dass es sich bei den Zeichnungen des Grafikers im Zusammenspiel mit dem verwendeten Slogan „The Real Badman & Robben“ um ein schutzfähiges (Gesamt-) Kunstwerk handele. Der Grafiker habe „die Eigenschaften der vorbekannten Figuren mit denen der – ebenfalls bekannten – Spieler des FC Bayern neu verwoben und durch einen schöpferischen Akt neue Figuren geschaffen“. Im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht München wurde dieses Urteil aufgehoben. Das Oberlandesgericht argumentierte, der Slogan sei für sich genommen zu kurz, um als Wortfolge schutzfähig zu sein. Etwaige Rechte des Grafikers an seinen Karikaturen habe der FC Bayern ebenfalls nicht verletzt, da der Verein sie weder im Original genutzt, noch vervielfältigt habe. Der FC Bayern habe sich zwar die Idee zu eigen gemacht, die Spieler Robben und Ribéry mit den Figuren Batman und Robin zu verknüpfen. Diese Idee genieße jedoch keinen Werkcharakter und sei nicht schutzfähig. Die Revision ließ das OLG München nicht zu.
Dagegen zog der Grafiker mit einer Nichtzulassungsbeschwerde vor den Bundesgerichtshof. Mit Erfolg. Der Bundesgerichtshof rügte, dass das Oberlandesgericht München eine Urheberrechtsverletzung von Slogan und Zeichnungen nur getrennt voneinander geprüft habe. Die vom Landgericht festgestellte und vom Kläger argumentierte (Gesamt-) Urheberschaft an der „streitgegenständlichen Choreographie“ als Gesamtkunstwerk habe das Oberlandesgericht überhaupt nicht geprüft und damit den Kern der Klage, nicht ausreichend gewürdigt. Das Verfahren wurde deshalb zur neuen Entscheidung zurückverwiesen. Das Oberlandesgericht München wird sich nun (erneut) mit der spannenden Frage auseinandersetzen müssen, ob es sich in der Verbindung von Slogan und Karikaturen um ein Gesamtkunstwerk handelt oder bloß eine dem eigentlichen Werkschaffen (Text und Illustration) vorausgehende Idee. Sollte sich der Grafiker durchsetzen, könnte er vom FC Bayern Auskunft über den Gewinn, den der FC Bayern mit den Merchandise-Produkten erzielt hat, verlangen und auf diese Auskunft gestützt Schadensersatzansprüche geltend machen.
Dezember 2022
Black Friday – Marke verfallen
Das Kammergericht Berlin bestätigte, dass „Black Friday“ ein Schlagwort für eine Rabattaktion ist und nicht auf eine betriebliche Herkunft hinweist. Mit Rechtskraft des Urteils dürfte der jahrelange Rechtsstreit um diese Marke damit nun zu einem Ende gekommen sein. Mit Rabattaktionen werben Geschäfte und Onlineshops am vierten Freitag im November und läuten den Beginn des Weihnachtsgeschäfts ein. Der Festtag für Schnäppchenjäger kommt aus den USA und ist mittlerweile auch in Deutschland als „Black Friday“ wohlbekannt.
Das Unternehmen Super Union Holdings Ltd. mit Sitz in Hongkong hatte im Jahr 2016 die bereits 2013 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) für eine Vielzahl an Waren und Dienstleistungen eingetragene Wortmarke „Black Friday“ übernommen und seither zahlreiche Unternehmen abgemahnt, die mit „Black Friday“ für Sonderaktionen warben.
Einige der Händler, darunter auch das Portal Black-Friday.de, setzten sich gegen die Abmahnungen zunächst dadurch zur Wehr, dass sie die Löschung der Marke wegen fehlender Unterscheidungskraft gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) beantragten und obsiegten mit diesem Antrag. Grundgedanke der Norm ist, dass ein Begriff, der lediglich zur Beschreibung der darunter angemeldeten Waren und Dienstleistungen dient, nicht markenrechtlich monopolisiert werden soll. An solchen beschreibenden Begriffen besteht ein sogenanntes Freihaltebedürfnis, damit alle Marktteilnehmer den Begriff zur Bezeichnung ihrer geschäftlichen Tätigkeiten benutzen können. Die Markenschutzbehörde ordnete mit Beschluss vom 27. März 2018 die vollständige Löschung der Marke an, da mit dem angegriffenen Kennzeichen lediglich ein bestimmter Aktionstag für Sonderrabatte beschrieben werde, der nicht auf Waren oder Dienstleistungen eines bestimmten Unternehmens hinweise.
Diese Entscheidung griff die Super Union Ltd. mit Erfolg an: Das Bundespatentgericht BPatG befand mit Beschl. v. 28. Februar 2020, Az. 30 W (pat) 26/18, dass das DPMA die Wortmarke zu Unrecht vollständig gelöscht habe. Ein Freihaltebedürfnis bestehe lediglich für bestimmte Bereiche, darunter Rabattaktionen für Elektro- und Elektronikwaren sowie für Werbedienstleistungen, wozu auch „BlackFriday.de“ zählt.
Vor diesem Hintergrund bemühten sich die abgemahnten Händler an anderer Stelle um vollständige Löschung der Marke und klagten vor dem Landgericht (LG) Berlin auf Löschung der Marke wegen Nichtbenutzung nach §§ 26, 49, 55 Markengesetz (MarkenG) – mit Erfolg. Das LG erklärte mit Urteil vom 15. April 2021 (Az. 52 O 320/19) die Marke für verfallen, da sie von Super Union für keine der mit der Klage angegriffenen Waren und Dienstleistungen rechtserhaltend benutzt worden war.
Super Union zog im Berufungsverfahren gegen dieses Urteil vor das Kammergericht (KG) Berlin, das mit Urteil vom 14. Oktober 2022, Az. 5 U 46/21 die vorausgegangene Entscheidung bestätigte. Der Nachweis für eine das Markenrecht erhaltende Benutzungsaufnahme für die über 900 angemeldeten Waren und Dienstleistungen sei Super Union nicht gelungen. Der Begriff „Black Friday“ weise nicht auf einen konkreten betrieblichen Ursprung hin. Nach Auffassung des KG würde der angesprochene Verkehr spätestens seit dem Jahr 2016 den Begriff „Black Friday“ nur noch als Schlagwort für eine Rabattaktion und als allgemeine Aufforderung verstehen, Sonderkonditionen und Preissenkungen an diesem Tag im November in Anspruch zu nehmen. Damit handele es sich lediglich um ein Merkmal einer Dienstleistung und damit um eine angebots-kennzeichnende Angabe.
Mit der Entscheidung des KG könnte der jahrelange Rechtsstreit um die Marke „Black Friday“ nun zu einem Ende gekommen sein, denn das Gericht ließ die Revision nicht zu. Damit bleibt Super Union nur noch die Einreichung einer Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH.
Da das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, sollte mit der Verwendung des Schlagwortes „Black Friday“ sicherheitshalber trotzdem bis zum nächsten Jahr gewartet werden.
November 2022
Gold des Lindt-Hasen geschützt
Der Goldton des Schoko-Häschens von Lindt ist mittlerweile so bekannt, dass er laut BGH Markenschutz genießt. Das OLG München, das dem Goldton Markenschutz aufgrund Verkehrsgeltung bislang abgesprochen hatte, entschied nun, dass eine Allgäuer Confiserie deshalb keine Schokohasen mit goldener Verpackung verkaufen darf. Seit 1997 vertreibt Lindt seine Goldhasen in dem aktuellen Goldton und vertreibt jährlich rund 150 Millionen der Hasen in über 50 Ländern. Seit Jahren schon geht der Schweizer Traditionshersteller rechtlich gegen allzu ähnliche Konkurrenzprodukte vor. Zuletzt gegen die schwäbische Confiserie Heilemann, die ebenfalls einen goldenen Schokohasen im Sortiment hat, der ein Halsband mit Schleifchen trägt. Im Mai 2017 hatte sich Lindt den Goldton als Farbmarke „gold Pantone Premium Metallics coated 10126 C“ beim Deutschen Patent- und Markenamt für Schokoladenfiguren schützen lassen. Die Allgäuer Confiserie Heilemann hatte die Löschung der Marke beantragt, das Verfahren lag zuletzt beim Bundespatentgericht.
Lindt verklagte Heilemann und argumentierte den markenrechtlichen Unterlassungsanspruch damit, die goldene Farbe des Lindt-Hasen habe sich – unabhängig von der Gültigkeit der Eintragung als Farbmarke - durch die langjährige Benutzung als Marke durchgesetzt. Lindt unterlag mit dieser Argumentation vor dem OLG München (Urt. v. 30.06.2020 Az. 29 U 6389/19) zunächst. Das Gericht vertrat die Ansicht, der Goldhase verdanke seine Bekanntheit nicht allein seiner Farbe, sondern auch die Form spiele eine wesentliche Rolle. Außerdem müsse Gold auch die „Hausfarbe“ des Unternehmens sein.
Der BGH sah dies anders. Durch eine von Lindt vorgelegte Verkehrsbefragung, nach der 70 Prozent der Befragten den Goldton des Schokohasen dem Schweizer Unternehmen zuordneten, sei nachgewiesen, dass der Goldton der Schokoladenfigur innerhalb der relevanten Verkehrskreise als Marke Verkehrsgeltung erlangt habe. Dass der Farbton als „Hausfarbe“ für sämtliche Produkte des Unternehmens verwendet werde, sei für den Erwerb der Verkehrsgeltung keine Voraussetzung. Auch die weiteren Gestaltungsmerkmale des berühmten Häschens, wie die Sitzposition und das rote Band mit Glöckchen sprächen nicht gegen eine Verkehrsgeltung des Farbtons. Relevant sei, so der BGH, dass die angesprochenen Verkehrskreise in einer Verwendung dieses Goldtons für Schokoladenhasen auch dann einen Herkunftshinweis sehen, wenn er zusammen mit diesen anderen Gestaltungselementen verwendet wird.
Das OLG München hatte auf dieser Grundlage erneut zu entscheiden, ob Heilemann die Benutzungsmarke von Lindt verletzt, indem ein eigener goldener Schokohase vertrieben wird und bejahte dies nun letztendlich. Mit Urteil vom 27. Oktober 2022, Az. 29 U 6389/19, wurde der Allgäuer Confiserie Heilemann nunmehr untersagt, aufgrund einer bestehenden Verwechselungsgefahr Schokohasen mit goldener Verpackung zu verkaufen. Bei einem Verstoß drohen 250.000 Euro Strafe, zudem muss das Unternehmen Auskunft über seine Geschäfte mit den goldenen Hasen geben und Schadensersatz leisten. Rechtskräftig ist das Urteil allerdings noch nicht.
Das zugrunde liegende Urteil des Bundesgerichtshofs bestätigt, dass auch eine Farbe (oder sonstige Kennzeichnung), selbst wenn sie nicht beim Marken- und Patentamt eingetragen ist, durch bloße Benutzung Markenschutz erlangen kann. Bei Farben ist es zwar sehr schwer, einen Markenschutz durch intensive Benutzung zu erreichen – aber eben auch nicht unmöglich. Bezüglich des Nivea-Blau hatte der bereits zuvor BGH geurteilt, dass es für den Markenschutz einer Farbe ausreicht, wenn über 50 Prozent der relevanten Verkehrskreise die Farbe einem bestimmten Unternehmen zuordnen. Den Nachweis, dass diese Voraussetzung auch für den Goldton des Schokohasen erfüllt ist, konnte Lindt durch die Vorlage einer Umfrage führen.
Oktober 2022
Verzicht auf Urhebernennung wirksam
Ein Fotograf, der Bilder auf dem Microstock-Portal Fotolia anbietet, hat keinen Anspruch darauf, vom Verwender der Bilder als Urheber genannt zu werden. Ein Verzicht auf die Urheberbenennung in den AGB der Plattform sei wirksam, so das OLG Frankfurt am Main.
Der klagende Fotograf hatte mit dem Microstock-Portal Fotolia einen Upload-Vertrag geschlossen und dem Portal damit Lizenzen zur Nutzung seiner Fotos sowie das Recht eingeräumt, Unterlizenzen an die Kunden des Portals zu erteilen. Eine Kundin von Fotolia hatte Bilder des Fotografen auf ihrer Webseite verwendet, ohne ihn dabei als Urheber zu nennen. Der Fotograf verklagte die Kundin daraufhin und verlangte Unterlassung, das Bild ohne Urheberbenennung zu nutzen sowie Schadensersatz.
Nach dem Wortlaut des zwischen dem Fotografen und dem Portal abgeschlossenen Upload-Vertrag hat "sowohl Fotolia als auch jedes herunterladende Mitglied, welches ein Werk über Fotolia bezieht, das Recht, aber nicht die Verpflichtung (...), das hochladende Mitglied als Quelle seiner Werke kenntlich zu machen".
Der Fotograf berief sich darauf, dass diese Klausel schon ihrem Wortlaut nach keinen Verzicht auf eine Urhebernennung darstelle und ein solcher Verzicht in allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) überdies nicht rechtswirksam vereinbart werden könne.
Das OLG stellte hierzu fest, dass mit dem Begriff „Quelle“ die Urheberschaft gemeint sei und es deshalb bei der Klausel um die Urhebernennung gehe (Urt. V. 29.09.2022, Az. 11 U 95/21). Der vereinbarte Verzicht sei auch wirksam, weil er keine unangemessene Benachteiligung von Urhebern im Sinne des § 307 BGB darstelle. Zwar widerspreche der Verzicht des Urhebers auf die Urheberbenennung dem gesetzlichen Leitbild des § 13 UrhG, der dem Urheber als Teil des Urheberpersönlichkeitsrechts ein vorbehaltloses Recht auf Anerkennung seiner Urheberschaft am Werk zuerkenne und weiche daher von einem wesentlichen Grundgedanken dieser gesetzlichen Regelung ab (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Der Verzicht stelle aber keine unangemessene Benachteiligung des Urhebers dar. Der Urheber entscheide sich aus freien Stücken, seine Werke über das Microstock-Portal zu vertreiben und damit auch für das dortige Geschäftsmodell. Durch das Portal erhalte der Urheber eine ihm sonst nicht zugängliche Reichweite, die durch die hohe Anzahl an günstigen Unterlizenzen bedingt sei. Mit Abschluss des Upload-Vertrages verzichte der Urheber auch nicht vollständig auf sein Recht auf Anerkennung der Urheberschaft, denn durch Entfernung des Werks von dem Portal könne er sich für die Zukunft ohne Weiteres das Recht auf Anerkennung seiner Urheberschaft für das betreffende Werk wieder verschaffen.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob ein Urheber in AGB für jede Verwendungsart auf sein Recht auf Urheberbenennung verzichten kann, hat der Senat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Es bleibt daher abzuwarten, ob das Urteil in Rechtskraft erwachsen wird.
Sofern die Identität des Urhebers bekannt ist, empfiehlt es sich deshalb für Kunden und Agenturen vorerst weiterhin übliche Urheberbenennungen bei der Werknutzung vorzunehmen.
September 2022
Kein Markenrecht an „Malle“ mehr
2002 hatte sich ein Unternehmer aus Hilden die Rechte am Begriff „Malle“ durch Registrierung einer Marke beim European Union Intellectual Property Office (EUIPO) gesichert. Nun bestätigte der EuG letztinstanzlich die Löschung der Marke.
Dem vorausgegangen war ein Rechtsstreit durch mehrere Instanzen über die Nichtigkeit der Marke. Die zusätzlich gehaltene Deutsche Marke „Malle“ hat der Inhaber zwischenzeitlich auslaufen lassen. „Malle“ ist damit keine geschützte Marke mehr und Partyveranstalter können aufatmen. In den vergangenen Jahren ging der Hildener Unternehmer Jörg Lück, Produzent von Ballermann-Größen wie Mickey Krause und Tim Toupet gegen mehr als 80 Veranstalter und sonstige Verwender des Begriffs „Malle“ vor, denn er hatte sich diesen bereits 2002 europaweit für vier Klassen, unter anderem für Tonträger (Klasse 9), Werbung (Klasse 35), Ausstrahlung für TV- und Rundfunksendungen (Klasse 38) sowie für Partys (Klasse 41) schützen lassen. In Deutschland war die Marke durch Registrierung beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) für Werbung und Tonträger geschützt.
Für die Verwendung von „Malle“ verlangte Lück Zahlungen und den Abschluss eines Lizenzvertrages. So ging er unter anderem auch gegen einen Clubbetreiber aus Erlangen und den Reiseblog „Reisetiger“ vor, der von Holger Seyfried geführt wird. Seyfried und der Clubbetreiber stellten daraufhin beim European Union Intellectual Property Office (EUIPO) den Antrag, die EU-Marke für nichtig erklären zu lassen und diese aus dem Register zu löschen. Über diesen Antrag hatte das EUIPO 2020 entschieden und diesem stattgegeben. Lück legte daraufhin Rechtsmittel vor dem Gericht der Europäischen Union (EuG) ein. Allerdings blieb die Beschwerde ohne Erfolg und die Entscheidung des EUIPO wurde letztinstanzlich bestätigt.
Für die Entscheidung kam es darauf an, ob die Bezeichnung „Malle“ eine geographische Angabe darstellt, Damit wäre die Marke grundsätzlich nicht schutzfähig (absolutes Schutzhindernis) und müsste wieder gelöscht werden. Während dies für „Mallorca“ zweifelsfrei festgestanden hätte, stritten die Parteien darüber, ob „Malle“ von den deutschsprachigen Verkehrskreisen als geographischer Hinweis auf die Balearen-Insel verstanden wird oder eher als eine bestimmte Stilrichtung für Musik und Partys? Das EUIPO entschied: Eindeutig als Hinweis auf die Mittelmeerinsel. Der EuG mit Beschluss vom 17.6.2022, Az C-145/22 bestätigte dies und stützte seine Entscheidung darauf, dass es sich bei „Malle“ um einen Begriff aus dem alltäglichen Sprachgebrauch handele, der eine Kurzform von „Mallorca“ darstelle.
Auch die neben der Unionsmarke geführte Deutsche Marke wurde im Wege einer Löschungsklage vor dem Landgericht Düsseldorf angegriffen. Die Marke hätte jedoch noch während des laufenden Verfahren verlängert werden müssen. Lück zahlte die Verlängerungsgebühr nicht, sodass die Marke auslief und das Gericht den Rechtsstreit für erledigt erklärte. Demgegenüber war die europäische Marke noch während des laufenden Verfahrens von Lück verlängert worden – mit der bitteren Folge für Lück, dass so nun ein Präjudiz für Schadensersatzansprüche geschaffen wurde. Es steht zu erwarten, dass einige Abmahnopfer von Lück versuchen werden, sich wegen aufgewendeter Rechtsverteidigungskosten und – nunmehr offensichtlich ohne Rechtsgrund – entrichteten Lizenzgebühren schadlos zu halten.
Abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärungen sollten gekündigt werden, denn sie verlieren nicht ohne Weiteres ihre Wirksamkeit.
August 2022
Compliance – Haftungsrisiko der Geschäftsführung
Sofern die Tätigkeit eines Unternehmens eine gewisse Schadensgeneigtheit aufweist, verlangt die Sorgfaltspflicht des Geschäftsführers das Vier-Augen-Prinzip. Damit gab das OLG Nürnberg mit Urteil vom 30.03.2022 eine konkrete Organisationsmaßnahme vor und schafft insoweit Rechtssicherheit.
In einem bemerkenswerten Urteil (Az. 12 U 1520/19) gab das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg am 30. März 2022 Aufschluss über die Sorgfaltspflichten, die Geschäftsführer*innen bei der internen Organisation beachten müssen. Danach gehört es zu den wesentlichen Pflichten einer Geschäftsführerin oder eines Geschäftsführers, eine solche Organisationsstruktur zu etablieren, die das rechtmäßige Handeln der Mitarbeiter*innen sicherstellt. Die konkrete Ausgestaltung liegt dabei im Ermessen der Geschäftsführung.
Im konkreten Fall hatte ein Unternehmen gegen den Geschäftsführer auf Schadensersatz geklagt, für Verluste durch einen veruntreuenden Mitarbeiter.
Das Unternehmen gewährt Kredite in Form von Tankkarten an Kunden zum bargeldlosen Tanken. Begrenzt sind diese Kredite durch Tanklimits, die jedoch in der Vergangenheit nicht kontrolliert wurden, was zu Forderungsausfällen führte. In der Folge nahm der beklagte Geschäftsführer an einer Schulung teil, die die Kreditgewährung an Kunden und das hierbei einzuhaltende Vier-Augen-Prinzip zum Gegenstand hatte. Der Geschäftsführer setze dieses Prinzip aber nicht um.
Kurz darauf verschleierte ein Mitarbeiter des Unternehmens die Zahlungsunfähigkeit von ihm akquirierter Kunden, um diesen Firmen weitere Tankgenehmigungen und somit einen größeren Kreditrahmen zu ermöglichen. Die Klägerin nahm daraufhin den Geschäftsführer wegen Verletzung seiner Sorgfaltspflicht auf Schadensersatz in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Der Beklagte legte erfolglos Berufung ein.
Das OLG hat die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt. Maßstab für den Umfang der einzuhaltenden Sorgfaltspflichten sei die objektivierbare Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes. Dabei bestehe ein weitreichender Beurteilungsspielraum. Insbesondere wirtschaftliche Zweckmäßigkeiten seien nicht Teil der gerichtlichen Kontrolle und geschäftliche Risiken dürften in einem gewissen Rahmen auch eingegangen werden. Allerdings sei der Spielraum überschritten, wenn das Schadensrisiko eindeutig sei und keine vernünftigen Gründe dafür sprächen, es einzugehen. Können bei einer nicht ordnungsgemäßen Durchführung Personenschäden oder erhebliche finanzielle Auswirkungen entstehen, so liegt eine solche Schadensgeneigtheit vor, die die Einführung des Vier-Augen-Prinzips notwendig macht. Da der beklagte Geschäftsführer das Vier-Augen-Prinzip trotz Schadensfällen in der Vergangenheit und einer entsprechenden Schulung nicht einführte, habe er seine Sorgfaltspflichten verletzt.
Das Urteil ist von grundsätzlicher Bedeutung, da es abermals zeigt, dass Geschäftsführer Sorgfaltspflichten auch bei der internen Organisation beachten müssen (z.B. auch bei der Einhaltung der Datenschutzanforderungen der DSGVO). Eine Organisationsstruktur zu schaffen, die ein rechtmäßiges Handeln der Mitarbeiter*innen sicherstellt und Compliance-Maßnahmen zu ergreifen, die zur Überwachung und Kontrolle solchen Handelns geeignet sind, ist mithin zentrale Pflicht der Geschäftsführung. Mit dem Vier-Augen-Prinzip gibt das OLG Geschäftsführer*innen eine konkrete Organisationsmaßnahme an die Hand und schafft insoweit Rechtssicherheit. Damit lassen sich Haftungsrisiken bei Einrichtung der Prüfungen im Rahmen objektiver Zumutbarkeit zwar bewusst reduzieren, es bedeutet allerdings in der praktischen Umsetzung eine weitreichende Kontrollpflicht. Zwar können Kontrollpflichten auch an Mitarbeiter*innen delegiert werden, solange diese hierfür geeignet und sorgfältig ausgewählt worden sind (z.B. betriebliche Datenschutzbeauftragte) – die Oberaufsicht liegt jedoch weiterhin bei der Geschäftsführung.
Juli 2022
Gendern im E-Commerce
Die Deutsche Bahn muss in ihrem Online-Buchungssystem ab dem 1. Januar 2023 eine geschlechtsneutrale Anrede anbieten.
In einem bemerkenswerten Urteil (Az. 9 U 92/20) entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main am 21. Juni 2022, dass es die Deutsche Bahn (DB) ab dem 01. Januar 2023 zu unterlassen habe, „die klagende Person nicht-binärer Geschlechtszugehörigkeit dadurch zu diskriminieren, dass diese bei der Nutzung von Angeboten des Unternehmens zwingend eine Anrede als Herr oder Frau angeben muss“.
Geklagt hatte die nicht-binäre Person René_ Rain Hornstein aufgrund der Buchung einer Fahrkarte im Online-Buchungssystem der DB. Dort musste bei den Pflichtangaben die Anrede als „Herr“ oder „Frau“ ausgewählt werden. Eine weitere Alternative für Personen mit nicht-binärer Geschlechteridentität sah das Buchungssystem nicht vor. Eine Buchung ohne die Auswahl einer der beiden Anredealternativen war nicht möglich.
René_ Rain Hornstein hatte daraufhin Klage wegen Diskriminierung erhoben. Bereits das Landgericht Frankfurt hatte der Klage mit dem Argument stattgegeben, dass die obligatorische Angabe von „Herr“ oder „Frau“ Personen mit nicht-binärer Geschlechtsidentität in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletze.
Das OLG hat die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt, den Unterlassungsanspruch jedoch nicht mit der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts begründet, sondern unmittelbar aus den §§ 3, 19 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) hergeleitet. Die klagende Person sei unmittelbar wegen des Geschlechts und der sexuellen Identität benachteiligt.
Das OLG verurteilte die DB außerdem zur Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von EUR 1.000,00. Die klagende Person erlebe „die Zuschreibung von Männlichkeit“ seitens der DB als Angriff auf die eigene Person, was zu deutlichen psychischen Belastungen führe.
Weil zur Befolgung des Urteils eine technische Umstellung des gesamten Online-Buchungssystems der DB erforderlich ist, wurde der DB eine Frist bis zum Jahresende eingeräumt. In der individuellen Kommunikation mit der klagenden Person muss die DB die Entscheidung dagegen sofort umsetzen, also eine geschlechtsneutrale Anrede wählen.
Wie dies zu erfolgen hat, ist jedoch alles andere, als allgemeingültig geklärt. René_ Rain Hornstein erklärt auf der eigenen Website: „Mein Pronomen ist em oder kein Pronomen. Bitte nutzen Sie für Substantive, Artikel und Adjektive die _ oder *-Form. Ein Beispielsatz: René_ Rain Hornstein ist ein*e freundliche*r Referent*in, em geht auf die von Veranstaltungsteilnehmer*innen geäußerten Wünsche ein.“
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Urteils ist fortan bei E-Commerce-Anwendungen darauf zu achten, Personen nicht-binärer Geschlechteridentitäten durch Eingabeaufforderungen, die ihnen nur die Auswahl zwischen „Herr“ und „Frau“ ermöglichen, nicht zu diskriminieren.
Juni 2022
Gendern versus Urheberrecht
In einem Zeitschriftenartikel hatte eine Autorin den Begriff „Zeichner“ verwendet. Der Verlag machte daraus gendergerecht eine „zeichnende Person“. Der daraufhin von der Autorin angestrengte Prozess endete nun mit einem Vergleich.
Die Autorin, Trainerin und Kunsttherapeutin Sabine Mertens hatte die managerSeminare Verlags GmbH wegen Urheberrechtsverletzung verklagt. Dessen Zeitschrift „Training aktuell“ hatte einen ihrer Artikel gegendert, obwohl die Autorin mehrfach deutlich darauf hingewiesen hatte, keine Gendersprache nutzen zu wollen. Die Autorin wurde bei ihrer Klage vom Verein Deutsche Sprache (VDS) unterstützt.
Anlass für die beim Landgericht Hamburg eingereichte Klage war die sprachliche Veränderung eines Artikels an zwei Stellen. Statt „Zeichner“ hatte der Verlag nach der Korrektur in der überarbeiteten Version den Begriff „zeichnende Person“ veröffentlicht. Dies geschah, obwohl der Verlag in den vorangegangen Diskussionen zugesichert hatte, den Artikel in der eingereichten Form abzudrucken.
Die Autorin führte in ihrer Klageschrift aus: „Sprache ist in ihrer Arbeit (Beratung, Coaching, Therapie) von sehr hoher und sehr persönlicher Bedeutung.“ Eine derart unpersönliche Ausdrucksweise wie „Person“ disqualifizierte die Klägerin in ihren Augen für ihr Tätigkeitsfeld. Mit der angestrengten Klage verlangte die Autorin vom Verlag, die weitere Verbreitung des geänderten Artikels zu unterlassen. Außerdem forderte sie eine Geldentschädigung.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung soll das Gericht zu erkennen gegeben haben, dass eine Urheberrechtsverletzung zweifellos vorliege. Der Verlag akzeptierte daraufhin den vom Gericht vorgeschlagenen Vergleich, wonach er die betreffenden Stellen im Online-Angebot wieder in den Originalzustand zurückversetzen muss. Die Print-Exemplare dürfen jedoch weiter ausgeliefert werden.
Juristisch betrifft der Fall das Bearbeitungsrecht des Urhebers sowie dessen Urheberpersönlichkeitsrechte:
- Nach § 23 Abs.1. UrhG dürfen Bearbeitungen oder andere Umgestaltungen eines Werkes nur mit Zustimmung des betroffenen Urhebers veröffentlicht oder verwertet werden. Umformulierungen eines Sprachwerks stellen Bearbeitungen dar und eine Zustimmung war dem Verlag vorliegend ausdrücklich verwehrt worden.
- Nach § 14 hat der Urheber hat das Recht, eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung seines Werkes zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden. Genau hierauf hatte die Autorin sich bei ihrer Klagebegründung berufen.
Mai 2022
„Buchung abschließen“ nicht eindeutig genug
Die Internet-Reise-Plattform Booking.com verwendet zum Abschluss von Online-Buchungen für Unterkünfte unter anderem eine Schaltfläche mit der Formulierung „Buchung abschließen“. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat nun entschieden, dass diese Formulierung möglicherweise nicht eindeutig genug ist, um einen Vertragsschluss beziehungsweise eine Zahlungsverpflichtung zu begründen (Urt. vom 07.04.2022, Rs. C-249/21).
Hintergrund der EuGH-Entscheidung ist ein Fall vor dem Amtsgericht Bottrop (AG). Der Beklagte hatte über Booking.com vier Doppelzimmer für fünf Nächte in einem Hotel reservieren wollen und dafür auf die Schaltfläche „Buchung abschließen“ geklickt. Nachdem er dann aber die Reise nicht antrat und auch die von dem Hotel geforderten Stornogebühren nicht entrichtete, verklagte ihn die Eigentümerin des Hotels auf Zahlung.
Das AG hatte Bedenken, ob die Formulierung der Schaltfläche „Buchung abschließen“ den Anforderungen aus § 312j BGB genügt und deshalb den EuGH angerufen.
Hiernach wird für Online-Bestellungen von Verbraucher*innen gefordert, dass sie mit einer Bestellung ausdrücklich bestätigen müssen, sich zu einer Zahlung zu verpflichten. Verwendet der Unternehmer für den Bestellabschluss eine Schaltfläche (sogenannte „Button-Lösung“), ist diese Anforderung nur erfüllt, „wenn diese Schaltfläche gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern „zahlungspflichtig bestellen“ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet ist“.
Der EuGH entschied, dass Verbraucher*innen beim Abschließen einer Buchung anhand der entsprechenden Schaltfläche eindeutig verstehen können müssten, dass sie eine Zahlungsverpflichtung eingehen. Er führt in seinem Urteil weiter aus, „dass der Begriff Buchung in den Worten Buchung abschließen nach allgemeinem Sprachgebrauch nicht zwangsläufig mit der Eingehung einer Verpflichtung zur Zahlung eines Entgelts verbunden werde“. Das deutsche Gericht müsse nun prüfen, ob der Begriff „Buchung“ im deutschen Sprachgebrauch und nach den der Vorstellungen der Verbraucher*innen mit einer Zahlungsverpflichtung in Verbindung gebracht werde.
Aufgrund der zuvor geäußerten Bedenken des Amtsgerichts Bottrop kann man davon ausgehen, dass es die Klage unter Hinweis auf einen mangelnden Vertragsschluss ablehnen wird. Anlässlich der Vorlage der Frage beim EuGH hatte es bereits die Ansicht geäußert, dass der Begriff „Buchung“ im deutschen Sprachgebrauch häufig auch als Synonym für eine „unentgeltliche Vorbestellung oder Reservierung“ verwendet werde.
Fazit: Die Anforderungen aus § 312j BGB und anderen Verbraucherschutzbestimmungen werden bei der Ausgestaltung von Websites und Portalen häufig übersehen. Dies führt nicht nur zu unwirksamen Vertragsabschlüssen, sondern kann auch Abmahnungen durch Konkurrenten und Verbraucherschutzorganisationen rechtfertigen.
April 2022
Miturheberschaft durch Umsetzung eines Gestaltungskonzepts
Wer einen Dritten beauftragt, ihm bei der Umsetzung eines Gestaltungskonzepts zu helfen, muss damit rechnen, dass dem Dritten (Mit-) Urheberrechte erwachsen. Nur wenn sich die Dritten an die Vorgaben des Auftraggebers halten und nichts Eigenes beitragen, sind sie keine (Mit-)Urheber.
In einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vor dem Landgericht Köln hatte ein bildender Künstler seinen Auftraggeber, ein Musik-Label, auf Unterlassung in Anspruch genommen, weil das Label das Auftragswerk verwertete, ohne hierüber mit dem Künstler eine Vereinbarung getroffen zu haben.
Der Künstler hatte die Büste eines Musikers mit Fotos beklebt und das Label hatte eine Abbildung hiervon für die Gestaltung eines CD-Covers verwendet. Der Künstler hatte für die Gestaltung der Büste zwar ein Konzept erhalten, jedoch ohne konkrete Vorgaben zur Umsetzung, hierüber habe er eigenverantwortlich entschieden. Das Label bestritt eine eigenschöpferisch-kreative Tätigkeit des Künstlers und vertrat die Auffassung, er habe allein nach den Vorgaben aus dem Konzept gearbeitet. Das Landgericht Köln gab dem Antrag des Künstlers statt. Es ging hierbei davon aus, dass der Künstler Miturheber der Büste geworden sei. Als solcher könne er seine Rechte aus gem. § 97 Abs. 1 iVm § 8 Abs. 2 UrhG auch gegenüber dem anderen Miturheber verfolgen.
Zur Begründung führt das Gericht aus, dass es für die Beurteilung, ob der Künstler als Miturheber oder Gehilfe anzusehen sei, entscheidend darauf ankomme, ob er sich lediglich an die Vorlage des Labels gehalten oder auch Eigenes beigetragen habe. Da Letzteres der Fall sei, ließe sich die Rolle des Künstlers nicht auf die eines reinen Gehilfen reduzieren. Ihm sei ein so großer Spielraum bei der Gestaltung der Büste verblieben, dass seine gestalterische Leistung als eigenschöpferisch einzuordnen sei und seine Miturheberschaft begründe. Das ihm vorgelegte Konzept habe zwar bereits eine Idee für die Büste enthalten. Anders als bei einer Entwurfsskizze sei die tatsächliche Umsetzung der Idee in dem Konzept aber noch nicht vorweggenommen gewesen, sondern dem Künstler überlassen worden. Die Skulptur in ihrer endgültigen Ausarbeitung sei daher nicht lediglich auf das Konzept des Labels zurückzuführen, denn der Künstler habe nicht als bloßes „Ausführungsorgan“ eines fremden Gestaltungswillens gehandelt. Vielmehr handle es sich um eine neue, eigene Schöpfung des Künstlers in freier Benutzung des Konzeptes.
März 2022
Tina Turner – „What you get is what you see“?
Die Werbung für eine „Tribute-Show“ darf auch mit dem Namen und dem Bildnis des gehuldigten Künstlers erfolgen.
Das hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in einem Prozess über die Frage, unter welchen Voraussetzungen für eine Show, in der die Lieder einer weltberühmten Sängerin (hier Tina Turner) nachgesungen werden, mit dem Namen der Sängerin und der Abbildung einer in der Show auftretenden Doppelgängerin geworben werden darf, entschieden.
In dem Verfahren geht es um eine sog. „Tribute Show“, in der Dorothea „Coco“ Fletcher als Doppelgängerin der weltberühmten Sängerin Tina Turner auftrat und deren größte Hits präsentierte. Die Show wurde mit Plakaten beworben, auf denen die Doppelgängerin abgebildet und die Show mit den Worten „SIMPLY THE BEST - DIE tina turner STORY“ angekündigt wurde.
Hiergegen wandte sich Tina Turner mit dem Argument, dass der Betrachter aufgrund der Ähnlichkeit zwischen ihr und Dorothea „Coco“ Fletcher sowie des Plakattextes davon ausgehe, sie selbst sei auf den Plakaten abgebildet und an der Show beteiligt. Tina Turner hatte weder in die Verwendung ihres Bildnisses noch ihres Namens eingewilligt und verlangte von der Veranstalterin der Show Unterlassung.
Nachdem das Landgericht Köln der Klage zunächst stattgegeben hatte, wies das Berufungsgericht (OLG Köln) die Klage ab. Der BGH wies die dagegen gerichtete Revision von Tina Turner nun zurück.
Der BGH stellt zunächst fest, dass Tina Turner durch die konkrete Art der Bewerbung der Show in ihrem Recht am eigenen Bild berührt werde. „Wird eine Person durch eine andere Person – beispielsweise einen Schauspieler – dargestellt, liegt ein Eingriff in das Recht am eigenen Bild vor, wenn aus Sicht eines nicht unerheblichen Teils des angesprochenen Publikums der täuschend echte Eindruck erweckt wird, es handele sich um die dargestellte Person selbst.“
Auch wenn Tina Turner in diese Verwendung ihres Bildnisses nicht eingewilligt habe, sei die Verwendung ihres Bildnisses aber durch die Regelung des § 23 Abs. 1, Nr. 4 KUG gedeckt. Hiernach dürfen Bildnisse auch ohne Einwilligung der betroffenen Person verwendet werden, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient und das konkrete Bildnis nicht auf Bestellung der in ihren Rechten berührten Person angefertigt wurde. Bei der durch den BGH vorgenommenen Interessenabwägung zwischen den Persönlichkeitsrechten von Tina Turner und der Kunstfreiheit überwog letztere.
Die Werbung für eine Show, in der Lieder einer prominenten Sängerin (Tina Turner) von einer ihr ähnlich sehenden Darstellerin (Dorothea „Coco“ Fletcher) nachgesungen werden, mit einem Bildnis der Darstellerin, das den täuschend echten Eindruck erweckt, es handele sich um die prominente Sängerin selbst, sei grundsätzlich von der Kunstfreiheit gedeckt. Denn letztlich handele es sich um ein Bildnis der Darstellerin, nicht um eines der prominenten Sängerin. Etwas anderes würde nur gelten, wenn der unzutreffende Eindruck erweckt würde, Tina Turner unterstütze die Show oder wirke an ihr mit.
Obgleich der BGH damit die Argumentation von Tina Turner aufgriff, kam er doch zu dem Ergebnis, dass eben dieser unzutreffende Eindruck vorliegend nicht erweckt worden sei, weil dem Publikum klar sei, dass es sich bei der abgebildeten Person nicht um Tina Turner handele, was sich bereits aus der Ankündigung der Show als „Tribute Show“ ergäbe.
Februar 2022
Ende der Ära Würmchenmuster in Berliner Bussen und Bahnen?
Der Streit um das ikonische Sitzmuster geht in die nächste Runde. In erster Instanz hat das Landgericht Hamburg entschieden, dass die Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) das beliebte Wimmelwürmer-Design nicht mehr verwenden darf.
Scheußlich oder Kult? Bezüglich der Ästhetik des wirren rot-blau-schwarzen Textilmusters, das an wimmelnde Würmer erinnert, aber eigentlich den Namen „Urban Jungle“ trägt, scheiden sich die Geister. Dennoch – das Design prangt bei der BVG seit Jahrzehnten auf vielen Sitzen der verschiedenen Verkehrsmittel und schmückt diverse Merchandising Produkte. Gegen diese Verwendung wendete sich der Designer Herbert Lindinger, der das Muster in den 80er Jahren entworfen hatte und bekam nun in erster Instanz weitgehend Recht.
Entwickelt wurde das Farbmuster von Lindinger mit dem Ziel, Vandalen zu entmutigen und Schmierereien und Graffiti in dem verworrenen Muster verschwinden zu lassen. Genutzt werden sollte das Design seinerzeit allerdings nur für neue Züge der S-Bahn, die von 1984 bis 1994 in West-Berlin von der BVG betrieben wurden. Doch das Unternehmen nutzt das beliebte Muster intensiv darüber hinaus, sowohl für die Sitzbezüge in den Verkehrsmitteln als auch für allerlei Souvenirartikel – anscheinend jedoch ohne Genehmigung des Designers. Hiergegen wandte sich Lindinger in einem seit 2018 beim LG Hamburg anhängigen Rechtsstreit.
Am 9. November 2021 urteilte das Hamburger Landgericht, dass das Muster „als Werk der angewandten Kunst urheberrechtlich geschützt“ sei. Die BVG dürfe das Muster nicht mehr verbreiten. Ferner wurde die BVG auch verpflichtet, Auskunft über die mit den Fan-Artikeln erzielten Umsätze und Gewinne zu erteilen, um die Höhe des Schadensersatzanspruchs Lindingers ermitteln zu können. Das dürfte keine geringe Summe sein, denn die BVG hat das Muster für vieles genutzt. Das Muster zierte von Badeshorts über Brustbeutel zu Socken oder Seidenkrawatten auch Berlkönig-Rufbussen und Adidas-Turnschuhen.
Auch wurde ein Anspruch Lindingers auf Herausgabe dieser Produkte bzw. deren Vernichtung bejaht. Bei Verstößen gegen das Urteil droht der BVG ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro – und der Vorstandsvorsitzenden Eva Kreienkamp insgesamt bis zu zwei Jahre in Ordnungshaft. Hiergegen legte die BVG jedoch Berufung beim OLG in Hamburg ein.
Im Übrigen wies das LG die Klage ab. Das heißt, die noch vorhandenen Sitze in Bussen und Bahnen dürfen zunächst bleiben, entschied das Gericht. Der öffentliche Nahverkehr in der Stadt Berlin würde durch eine Umrüstung „ganz erheblich beeinträchtigt werden“. Deshalb würden hier die Interessen der BVG „und der Berliner Öffentlichkeit“ dominieren. Dagegen legte wiederum der Anwalt Lindingers Berufung ein.
Es bleibt also spannend um die Berliner Wimmelwürmer.
Januar 2022
Inbox Advertising
Wer kennt sie nicht: Werbeanzeigen in seinem Postfach bei kostenlosen E-Mailanbietern, wie web.de und gmx.net? Dem Urteil des Europäischen Gerichtshof (EUGH) vom 25. November 2021 (Rs. C-102/20) liegt ein Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs (BGH) zugrunde. Dieser befasste sich mit einem zunächst vor dem Landesgericht und dann vor dem Oberlandesgericht Nürnberg verhandelten Streit zwischen den beiden Energielieferanten Städtische Werke Lauf a.d. Pegnitz GmbH (StWL) und dessen Konkurrent eprimo GmbH.
Im Auftrag der eprimo GmbH hatte eine Werbeagentur mit dem Hinweis „Anzeige“ versehene Werbeeinblendungen geschaltet, die in den Posteingangsfächern von Nutzer*innen des kostenlosen E-Mail-Dienstes T-Online landeten. Vergleichbare Inbox-Werbung ist auch bei anderen Anbietern kostenloser E-Mail-Dienste üblich. Die versendeten Mails waren optisch von der Liste der anderen Mails im Postfach nur dadurch zu unterscheiden, dass das Datum durch die Angabe „Anzeige“ ersetzt, kein Absender angegeben und der Text grau unterlegt wurde. Der Betreff enthielt einen Text zur Bewerbung vorteilhafter Preise für Strom und Gas.
Nach Ansicht der Stadtwerke unterliegt diese Werbemaßnahme gegen die Vorschriften über unlauteren Wettbewerb (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG) und wäre damit nur zulässig, wenn die Adressaten dieser Werbepraxis hierzu im Vorfeld ausdrücklich ihre Einwilligung erklärt hätten.
Vor dem Landesgericht Nürnberg-Fürth haben die Stadtwerke zunächst Recht bekommen, vor dem Oberlandesgericht Nürnberg hingegen nicht. Der Fall landete sodann vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Dieser legte dem EUGH daraufhin Fragen zur Interpretation des EU-Rechts zur Vorabentscheidung vor, da der BGH meint, dass der Erfolg der Revision unter anderem von der Auslegung der Richtlinie 2002/58 (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) abhängt. Diese E-Privacy-Richtlinie zielt darauf ab, Teilnehmer*innen gegen die Verletzung ihrer Privatsphäre durch unerbetene Nachrichten für Zwecke der Direktwerbung zu schützen. Laut EUGH müsse dieses Anliegen unabhängig von der zugrunde liegenden Technologie gewährleistet sein und entschied, dass die infrage stehenden Werbeeinblendungen „Nachrichten für die Zwecke der Direktwerbung“ darstellen. Denn darin liege eine zu kommerziellen Zwecken vorgenommene Kommunikation, die nur unter der Voraussetzung gestattet sei, dass die Empfänger zuvor einwilligen. Der Bundesgerichtshof müsse jetzt feststellen, ob die betroffenen Nutzer*innen, die sich für die unentgeltliche Variante des T-Online Maildienstes entschieden hat, „ordnungsgemäß über die genauen Modalitäten der Verbreitung einer solchen Werbung informiert wurde und tatsächlich darin einwilligte, Werbenachrichten zu erhalten“, schließlich gebe es auch ein entgeltliches Angebot ohne Werbung.
Bei Fehlen einer ausdrücklichen Einwilligung stelle dieses sogenannte Inbox Advertising, sofern es regelmäßig stattfinde, ein „hartnäckiges und unerwünschtes Ansprechen“ im Sinne der Richtlinie 2005/29 dar.
Dezember 2021
Haftungsfalle Cookie-Banner, Vol. 2
Erst kürzlich hatten wir an dieser Stelle auf die Risiken beim Einsatz von Cookie-Bannern und sogenannten Cookie-Managern hingewiesen. Neben unzulässigen Cookie-Bannern, die von vornherein nicht geeignet sind, die an sie gesetzten Anforderungen zur Einholung von Nutzereinwilligungen zu erfüllen, liegt das viel alltäglichere Risiko in der richtigen Anwendung von Cookie-Bannern, beziehungsweise darin, dass die über einen Cookie-Banner von Nutzern vorgenommene Einstellungen zum Teil überhaupt nichts bewirken.
Im zitierten Rechtsstreit setzte ein Websitebetreiber Tracking-Cookies der Anbieter Criteo, Facebook, Google Analytics, Hotjar und Microsoft Ads ein. Diese Cookies dienen u.a. der Verfolgung und (Wieder-) Erkennung der Nutzer über mehrere Websites hinweg, der Messung der Umsätze von Werbeanzeigen (sog. Conversion Tracking) und der zielgruppenbasierten Werbung (LG Frankfurt a.M., Urteil vom 19.10.2021, Az. 3-06 O 24/21 – nicht rechtskräftig).
Die Cookies wurden automatisch in den Browsern der Nutzer gesetzt, sobald diese die Website besuchten, noch bevor die Nutzer im angebotenen Cookie-Banner ihre individuellen Einstellungen für den Besuch der Website vornehmen konnten. Hinzu kam, dass eine Deaktivierung von nicht notwendigen Cookies der Gruppen „Statistik“, „Marketing“, „Dienste von Drittanbietern“ durch die Nutzer tatsächlich keinerlei Auswirkungen hatte: Die Nutzer bekamen stets alle Cookies. Der Website-Betreiber machte ein technisches Versagen des von einem Dienstleister eingesetzten Banners geltend. Dafür sei er nicht verantwortlich.
Das Landgericht Frankfurt gab der klagenden Wettbewerbszentrale in allen Punkten Recht. In der mangelnden Wahlmöglichkeit der Nutzer sah es einen Verstoß gegen § 15 Abs. 3 TMG i.V.m. §3a UWG, für den der Website-Betreiber als Täter hafte. Auf ein Verschulden seines Dienstleisters oder die Mangelhaftigkeit des eingesetzten Cookie-Banners konnte sich der Website-Betreiber nicht berufen (§ 8 Abs. 2 UWG). Außerdem würden die Nutzer darüber irregeführt, dass keine optionalen Cookies abgespeichert würden.
Die Entscheidung ist zwar noch nicht rechtskräftig, sie zeigt aber erneut das Risiko auf, dem Website-Betreiber beim Einsatz von Tracking-Cookies ausgesetzt sind. Zum einen sind diese in vielen Shop-Systemen und standardisierten Lösungen von Agenturen vorinstalliert, ohne dass dem Website-Betreiber dies bewusst ist und ohne dass er diese Cookies überhaupt für sich selbst auswertet. Hinzu kommt, dass Website-Betreiber in der Regel Cookie-Banner von Drittanbietern einsetzen und sich darauf verlassen, dass sie die Einstellungen ausführen, die die Nutzer der Website auswählen. Dies ist aber häufig nicht der Fall, weil die Funktionen der Cookie-Banner und die Einstellungen der Website-Backends häufig nicht miteinander synchronisiert werden.
Das heißt: Die Auswahl von Tracking-Cookies sowie die ordnungsgemäße und rechtskonforme Funktion von Cookie-Bannern sollten in allen Websiteverträgen haftungsbewährt vereinbart und zum Gegenstand der Abnahmeprüfung gemacht werden.
November 2021
Markenschutz für „Oktoberfest“
Seit geraumer Zeit bemüht sich die Stadt München darum, Markenschutz für den Namen des wohl bekanntesten Volksfestes der Welt zu erlangen. Nicht ohne Grund, denn der markenrechtliche Schutz des Begriffs „Oktoberfest“ eröffnet der Stadt die Möglichkeit, die Vermarktung fast aller erdenklichen Waren- und Dienstleistungen unter dem Namen „Oktoberfest“ für sich zu monopolisieren.
Bereits im Juni 2016 wurde der Begriff „Oktoberfest“ beim European Intellectual Property Office (EUIPO) als europäische Wortmarke angemeldet. Um den dagegen bestehenden Bedenken vorzubeugen hatte die Stadt München versucht, über ein Verkehrsgutachten und Besucherstatistiken die überragende Bekanntheit des Kennzeichens „Oktoberfest“ darzulegen, um sich auf die Schutzrechtsbedürftigkeit kraft Verkehrsdurchsetzung gem. § 4 Nr. 2 MarkenG berufen zu können. Zunächst jedoch ohne Erfolg. Das EUIPO lehnte, wie zuvor auch das Deutsche Patent- und Markenamt, die Markeneintragung für einen großen Teil der gewünschten Waren- und Dienstleistungen ab. Das EUIPO begründete seine Entscheidung damit, dass es sich bei dem Begriff „Oktoberfest“ um eine rein beschreibende Angabe handele, die für die Allgemeinheit freihaltebedürftig sei, § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Ein Beschwerdeverfahren gegen diese Entscheidung hatte zwar teilweise Erfolg, doch erst kürzlich erfolgte nun die Eintragung der Marke für alle der insgesamt 22 angemeldeten Produktklassen, darunter unter anderem Tourismuswerbung.
Die Münchner Stadtverwaltung will mit der eingetragenen Marke insbesondere Oktoberfest-Profiteuren vorbeugen. Nachdem das Oktoberfest in diesem wie auch im vergangenen Jahr coronabedingt ausfallen musste, wollten sich Veranstaltungsunternehmer dies zunutze machen, indem sie unter dem Slogan „Oktoberfest goes Dubai“ ein Ersatzoktoberfest in Dubai veranstalten.
Die Stadt München reagierte prompt und beantragte – mit Erfolg – im Wege einer einstweiligen Verfügung die Nutzung des Begriffs „Oktoberfest“ für die Bewerbung einer solchen Veranstaltung zu untersagen. Das Landgericht München bestätigte den Antrag mit Urteil vom 25. Juni 2021. Es sah in der Formulierung „Oktoberfest goes Dubai“ eine Irreführung der Verbraucher sowie eine unlautere Rufausbeutung. Durch die Werbung werde der gute Ruf des Münchner Oktoberfests in unzulässiger Weise auf die Veranstaltung in Dubai übertragen. Zudem könnte auch der irreführende Eindruck erweckt werden, das (Münchner) Oktoberfest ziehe nach Dubai um.
Nachdem der Markenschutz für den Begriff „Oktoberfest“ nun gewährt wurde, kann sich die Stadt München künftig in ähnlich gelagerten Fällen, neben dem Wettbewerbsrecht auch auf das Markenrecht berufen.
Bleibt zu hoffen, dass das berühmte Volksfest im Jahr 2023 wieder wie gewohnt in München stattfinden kann.
Oktober 2021
Haftungsfalle Cookie-Banner
Die Verbraucherzentralen gehen vermehrt gegen unzureichende Cookie-Banner vor. Wie der Verbraucherzentrale Bundesverband mitgeteilt hat, haben die Verbraucherzentralen etwa 950 Webseiten überprüft und knapp 100 Abmahnungen wegen Verstößen gegen die DSGVO und das Telemediengesetz (TMG) ausgesprochen.
Bei der Aktion wurden Webseiten aus unterschiedlichen Branchen wie Reisen, Lebensmittel-Lieferdienste oder Versicherungen untersucht. Neben den eindeutig rechtswidrigen Bannern habe es auch viele Einblendungen gegeben, die sich in einer rechtlichen Grauzone bewegten. „Die Banner wirkten auf den ersten Blick zulässig, versuchten aber durch Tricks, die Entscheidung der Seitennutzer und Nutzerinnen zu lenken.“ Die Verbraucherschützer haben nun 98 Abmahnungen wegen klarer Verstöße gegen das TMG und die DSGVO verschickt. In zwei Drittel der Fälle hätten die Unternehmen inzwischen eine Unterlassungserklärung abgegeben. Zu den abgemahnten Unternehmen gehören Anbieter von Essens-Lieferdiensten oder Online-Musikdiensten sowie aus der Fitness-Branche.
Cookies sind kleine Datensätze, die beim Besuch von Webseiten bei den Nutzern hinterlegt werden, um die Nutzer identifizierbar zu machen. Mit ihrer Hilfe können individuelle Profile erstellt werden, die Rückschlüsse über Surfverhalten, Vorlieben und Lebensgewohnheiten zulassen. Dieses Wissen kann dann zum Beispiel für personalisierte Werbung genutzt werden. Verbraucherzentrale Bundesverband-Vorstand Klaus Müller sagte, rechtswidrige Cookie-Banner seien kein Kavaliersdelikt. „Die zunehmende Daten-Schnüffelei gefährdet die Privatsphäre der Verbraucher und Verbraucherinnen und führt zum durchleuchteten Bürger.“
Es drohen Abmahnungen und drakonische Bußgelder.
Im Sommer war bereits der internationale Datenschutzverein Noyb um den österreichischen Juristen Max Schrems auch in Deutschland juristisch gegen Webseitenbetreiber wegen mangelhafter Cookie-Banner vorgegangen, nach dem der Verein zuvor sog. Hinweisbögen an Unternehmen verschickt hatte (https://noyb.eu/de/noyb-setzt-dem-cookie-banner-wahnsinn-ein-ende).
Rechtswidrige Cookie-Banner sind nicht nur für die Unternehmen, auf deren Webseiten sie verwendet werden, ein Problem. Häufig wissen Unternehmen nicht einmal genau, welche Cookies ihre Webseiten hinterlegen. Werden Webseiten-Betreiber von ihren Agenturen oder Internet-Dienstleistern nicht auf die offensichtliche Rechtswidrigkeit der von diesen eingebetteten Cookie-Bannern hingewiesen und infolge dessen in Haftung genommen, können sie bei diesen Dienstleistern Regress nehmen. Denn die Einbettung rechtswidriger Cookie-Banner stellt einen Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten ordentlicher Kaufleute der Werbe- oder IT-Branche dar.
September 2021
Urheberrecht an Foto sticht Urheberrecht an Motiv
Es steht dem Urheberrechtsschutz für ein Lichtbildwerk nicht entgegen, dass das Motiv seinerseits urheberrechtlich geschützt ist. Selbst wenn die Erstellung des Lichtbildes eine Rechtsverletzung darstellen würde, steht dies dem Urheberrechtsschutz für das Lichtbildwerk nicht entgegen (LG Köln, Urteil vom 01.07.2021, Az. 14 O 15/20).
Zu diesem Ergebnis kam das Landgericht Köln in einem Rechtsstreit zwischen einem Fotografen und einem Architekturbüro, das das auf dem Foto abgelichtete Bauwerk für eine bekannte Modekette geplant und gebaut hatte.
Der klagende Fotograf hatte nach Fertigstellung des Bauwerks eine Lichtbildserie erstellt und den Architekten zur Nutzung angeboten, die aber nicht interessiert waren. Die Modekette erwarb die Fotoserie. Auf der Rechnung war ein Hinweis zur Rechtsübertragung enthalten: „alle zeitlichen, räumlichen und sachlichen Nutzungsrechte zur Eigenwerbung; Keine Rechte für Dritte“.
Die Modekette überließ eines der Bilder später dem Architekturbüro, das dieses Bild auf seiner Website nutzte, ohne dabei eine Urhebernennung anzubringen. Hiergegen wandte sich der Fotograf mit dem Argument, die Nutzung sei rechtswidrig, weil er der Modekette ein Recht zur Sublizenzierung nicht eingeräumt habe.
Das Architekturbüro verteidigte sich damit, die erforderlichen Nutzungsrechte von der Modekette erhalten zu haben. Außerdem stellten die Fotografien selbst Urheberrechtsverletzungen dar, denn das Architekturbüro habe niemals eine Einwilligung zur Ablichtung des von ihm entworfenen Bauwerks erteilt. Es meinte ferner, dass die Panoramafreiheit nach § 59 UrhG nicht eingreife. Aus diesem Grunde wäre die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen durch den Fotografen jedenfalls rechtsmissbräuchlich.
Das Landgericht gab der Klage des Fotografen statt. Ein Recht zur Vergabe von Sublizenzen habe die Modekette ausweislich des Rechnungstextes nicht erworben. Der Einwand der Architekten, dass der Fotograf ihre Urheberrechte an dem Bauwerk verletzt habe, sei für die Entstehung von Urheberrechten am streitgegenständlichen Bild unerheblich. Es stehe dem Urheberrechtsschutz nicht entgegen, wenn die Herstellung des Werks gesetzwidrig wäre. Ob der Fotograf sich auf die Panoramafreiheit gem. § 59 UrhG stützen konnte, sei für die Entstehung der isoliert zu betrachtenden Urheberrechte an dem Bild bzw. dem Lichtbild deshalb ohne Bedeutung.
Die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen sei auch nicht rechtsmissbräuchlich gem. § 242 BGB, denn der Fotograf als Urheber müsse keine Urheberrechtsverletzungen dulden, auch nicht, wenn die Architekten ihrerseits über Urheberrechte an dem „Motiv“ verfügen sollten.
Den beantragten Schadensersatz ermittelte das Gericht im Wege der Lizenzanalogie. Dabei legte das Gericht die aktuelle MFM-Tabelle zugrunde, stellte aber fest, dass die MFM-Empfehlungen nicht schematisch angewendet werden dürften, sondern unter Einbeziehung sämtlicher individueller Sachverhaltsumstände zu modifizieren seien, weil die Einzelfallumstände eine realitätsnähere und damit aussagekräftigere Grundlage für die Schätzung der angemessenen Lizenzgebühr böten.
August 2021
Urheberrecht an Affen-Selfie
Jeder kennt sie. Promis, Influencer oder Urlauber machen sie fast täglich und fluten damit die Sozialen Netzwerke: Selfies. Ein Affe aus dem indonesischen Dschungel hat den Trend bereits 2011 für sich entdeckt und mit der Kamera des Fotografen David Slater ein Foto von sich geschossen, das um die Welt ging. Das Ergebnis: Süß, witzig und Grund für einen hitzigen Urheberrechtsstreit über die Rechte am Affen-Selfie.
Die Tierschutzorganisation PETA hatte eine Copyright-Klage im Namen des Affen bei einem US-amerikanischen Gericht eingereicht. Slater selbst ging vor einem britischen Gericht dagegen vor, dass das Selbstportrait des Affen auf Wikimedia zum kostenlosen Download zur Verfügung gestellt wurde und forderte die Löschung des Selfies.
Doch wie sieht die Beurteilung des kuriosen Rechtsstreits nach deutscher Rechtlage aus? Fotos, in § 2 UrhG als Lichtbildwerke bezeichnet, fallen unter den Schutz des Urheberrechts, wenn sie sich durch eine persönlich geistige Schöpfung auszeichnen und aufgrund ihrer Individualität eine gewisse Gestaltungshöhe aufweisen. Aber auch einfache Schnappschüsse, wie ein Selfie, sind als Lichtbilder nach § 72 UrhG geschützt. Die Vorschriften für den Schutz der anspruchsvolleren Lichtbildwerke werden hierauf entsprechend angewandt.
Das damit in jedem Fall urheberrechtlich geschützte Selfie dürfte in Anerkennung des Urheberpersönlichkeitsrechts also nur von seinem Urheber veröffentlicht werden. Bei Lichtbildern ist das der Fotograf, der den Auslöser drückt. Das war bei dem in Frage stehenden Affen-Selfie aber nicht Herr Slater, sondern eben der Affe. Die Folge: ohne Urheberschaft kein Urheberrecht. Und ohne Urheberrecht kein Widerspruch gegen die Veröffentlichung auf Wikimedia.
Fotograf und damit der eigentliche Schöpfer des Fotos ist also der Affe. Immerhin hat er den Auslöser gedrückt und das ungewöhnliche Selfie geschossen. Urheber im Sinne des Urhebergesetzes ist er aber trotzdem nicht, denn das Urheberrecht schützt gemäß § 2 Abs. 2 UrhG nur „persönliche geistige Schöpfungen“. Dies setzt voraus, dass das Werk auf einer menschlich-gestalterischen Tätigkeit des Urhebers beruht. Aus dieser Vorschrift resultiert eine Abgrenzungsfunktion, die ausschließt, dass lediglich durch Maschinen oder Computerprogramme erstellte Produkte, aber eben auch durch Tiere geschaffene Erzeugnisse Urheberrechtsschutz genießen. Ohne Urhebereigenschaft des Affen sieht es also auch für den Rechtstreit von PETA schlecht aus.
Hätte sich Slater des Affen bei der Anfertigung des Fotos als Hilfsmittel bedient, indem er entweder durch Dressur oder durch die gezielte Aufstellung und Einstellung der Kamera und Auslegen von Ködern, die den Affen in einem geplanten Moment zum Betätigen des Auslösers veranlassen, läge die Sache anders. In solchen Fällen wird das Ergebnis durch entsprechende Anweisungen an das Tier eindeutig von einer Person geplant und festgelegt. Dies steht der menschlich-gestalterischen Tätigkeit ebenso wenig entgegen wie die Benutzung eines Fotoapparats bei der Schaffung von Lichtbildwerken. Der dressierte Affe diente in dieser Konstellation gleichsam als Werkzeug, das dem Urheber bei seinem schöpferischen Schaffen zeitlichen und technischen Aufwand erspart. In diesem Falle wäre Slater also Urheber gewesen, auch wenn er nicht selbst auf den Auslöser gedrückt hat. Ist das Ergebnis aber ein reines Zufallsprodukt hinter dem, wie im vorliegenden Fall, kein menschlicher Wille stand, so scheidet die Urhebereigenschaft aus.
Bei der Veröffentlichung von Fotos, auf denen jemand eindeutig zu erkennen ist, ist stets die Beachtung des Rechts am eigenen Bild relevant. Nach § 22 S. 1 Kunsturhebergesetz (KUG) dürfen Bildnisse einer Person zwar nur mit Einwilligung des Abgebildeten veröffentlicht werden. Da der Affe jedoch rechtlich gleich einer Sache behandelt wird und mithin keine Person ist und Herr Slater nicht abgebildet wurde, kommt eine Anwendung dieser Vorschriften nicht in Betracht.
Das Fazit lautet daher: Vor deutschen Gerichten hätte also der Affe (in Vertretung durch PETA) mit einem Verbotsantrag vor Gericht ähnlich geringe Erfolgsaussichten wie der Fotograf David Slater mit seinem Löschungsanspruch gegen Wikimedia. Das kuriose Selfie wurde von einem Affen aufgenommen, der per se nicht Inhaber von Urheberrechten sein kann. Das Foto ist daher als gemeinfrei zu betrachten.
Juli 2021
Unwesentliche Beiwerke in Filmbeiträgen
In einer jüngst ergangenen Entscheidung hat das Landgericht Flensburg entschieden, dass die Darstellung eines Kunstwerks in einem audiovisuellen Beitrag auf Instagram kein unwesentliches Beiwerk darstellt und deshalb nicht ohne Zustimmung des Urhebers verwendet werden darf.
Der Fall kommt immer wieder vor: In Filmen, Werbespots und Social Media Videos gelangen Kunstwerke Dritter – zufällig oder absichtlich – ins Bild, ohne dabei für die eigentliche Handlung des Films oder Beitrags ausschlaggebend zu sein. Grundsätzlich muss dafür – wie bei Abbildungen von Werken in Fotos auch – die vorherige Zustimmung des Urhebers (Lizenz) eingeholt werden, §§ 16, 88 UrhG.
Der Rechteerwerb von den betreffenden Urhebern ist aber nicht selten schwierig, sei es, weil sie nicht bekannt sind oder weil sie im Ausland leben und ihre Adressen nicht ausfindig zu machen sind. Die Filmhersteller sind deshalb geneigt, nach einer Ausnahmebestimmung im Urheberrecht zu suchen, die ihnen die Nutzung der Werke in ihrem Film gestattet.
§ 57 UrhG scheint hierfür prädestiniert, denn er regelt, dass „die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, wenn sie als unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe anzusehen sind“, zulässig ist – also keiner vorherigen Lizenzierung bedarf. Der Anwendungsbereich dieser Bestimmung ist indessen äußerst gering, denn als gesetzliche Schrankenbestimmung für das Urheberrecht fordern die Gerichte seit jeher eine restriktive Auslegung und Anwendung dieser Bestimmung. Unwesentlich in diesem Sinne ist ein Beiwerk nur dann, wenn es ohne Weiteres hinweggedacht werden könnte, ohne dass dies dem Betrachter auffiele, bzw. ohne dass dies die Aussage des Beitrags beeinflussen würde. Ob ein Beiwerk in diesem Sinne wesentlich ist, kann sich aus der Prominenz seiner Darstellung, aber auch aus der Aussagekraft ergeben (z.B. Kamerafahrt durch eine Wohnung mit zeitgenössischer Pop-Art-Kunst, um Rückschlüsse auf den Charakter des dort lebenden, beruflich erfolgreichen Junggesellen zu erzeugen).
Im vorliegenden Fall war die Nachbildung eines Kunstwerks neben dem Kopf der Influencerin platziert und in circa 50 Prozent der Gesamtlaufzeit des Videos im Bild erkennbar. Das Gericht gab der Klage der Urheberin statt (Urt. v. 07.05.2021 – Az.: 8 O 37/21) und führte zur Begründung aus:
„Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe handelt es sich bei den Vervielfältigungen des Werks [...] im Video nicht lediglich um ein unwesentliches Beiwerk im Sinne der Vorschrift. Denn die Vervielfältigungsstücke sind sowohl für eine erhebliche Dauer, als auch in den Screenshots – wobei das Gericht mangels abweichender Anhaltspunkte davon ausgeht, dass diese repräsentativ für das Video sind – neben dem Kopf der Verfügungsbeklagten, die – offenbar – den Ablauf im Studio erklärt und auf die der Betrachter des Videos daher vor allem schauen wird, und damit hervorgehoben sowie in erheblicher Größe sichtbar. Damit prägen sie jedenfalls den ästhetischen Eindruck, den der Betrachter des Videos vom Studio der Verfügungsbeklagten beim Betrachten des Videos unvermeidbar gewinnt, mit.“
Fazit: Allein die Frage oder die Bemühung darum, ob ein Werk lizenzfrei in einem Film verwendet werden darf, indiziert zumeist bereits die Wichtigkeit des Werks für die Aussage des Films und schließt damit die Anwendbarkeit des § 57 UrhG aus. Kunstwerke sollten in audiovisuellen Produktionen deshalb in der Regel nur verwendet werden, wenn sie dafür lizenziert wurden.
Juni 2021
Vorsicht bei Datentransfers ins Ausland
Der Landesdatenschutzbeauftragte von Rheinland-Pfalz, Prof. Dr. Dieter Kugelmann, hat angekündigt, zukünftig schärfer gegen unzulässige Übertragungen von personenbezogenen Daten in Länder außerhalb der EU vorzugehen und erforderlichenfalls auch Bußgelder zu verhängen.
Insbesondere Datenübertragungen in die USA waren noch bis letztes Jahr durch das sogenannte EU-US Privacy Shield-Abkommen gedeckt. Mit der sogenannten Schrems II-Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) dieses Abkommen aber im Jahr 2020 gekippt, so dass es damit nicht länger als Rechtsgrundlage für Datenübermittlungen in die USA dient. Damit müssten solche Übermittlungen teils „auf eine neue Rechtsgrundlage“ gestellt und zusätzlich abgesichert werden, erklärt Kugelmann. „Das betrifft fast jedes Unternehmen, jede Behörde, Kommune, Schule, Organisation oder Arztpraxis“. Diese verarbeiten in der Regel automatisiert personenbezogene Daten und übermittelten sie dabei – häufig unbewusst – in Länder außerhalb der EU – sei es durch den Einsatz von Newsletter-Mailingdiensten, Cloud Services, Internettelefonie und, und, und ....
Die Datenaufsicht Rheinland Pfalz hat hierfür ein Prüfschema veröffentlicht: Konkret bedeutet das, dass jede verantwortliche Stelle und jeder Auftragsverarbeiter prüfen muss, ob die von ihm verantworteten Datenverarbeitungsprozesse noch der aktuellen Rechtslage entsprechen oder, ob Verträge und Prozesse umgestellt werden müssen.
Die EU-Kommission schlug hierzu im November 2020 neue Standardvertragsklauseln als Alternative zu dem gekippten Privacy Shield-Abkommen vor, die vom Gremium der Aufsichtsbehörden im Januar 2021 befürwortet wurden. Die bloße Vereinbarung dieser Standardklauseln reiche aber nicht aus, um Datentransfers ins Ausland per se auf eine sichere Rechtsgrundlage zu stellen, wenn im Empfängerstaat kein gleichwertiges Datenschutzniveau gewährleistet werden könne, gibt Kugelmann zu bedenken. Vielmehr müsse in jedem Einzelfall geprüft – und ggf. durch zusätzliche Maßnahmen sichergestellt –, werden, dass bei solchen Datentransfers ein angemessenes Datenschutzniveau sichergestellt werde.
Da nach der Ankündigung von Prof. Dr. Kugelmann, der sich mehrere Datenschutzbeauftragte anderer Bundesländer angeschlossen haben, in nächster Zeit mit stichprobenartigen Prüfungen zu rechnen ist, empfiehlt es sich, das Ergebnis solcher Prüfungen zu dokumentieren. „Kommt der Verantwortliche oder Auftragsverarbeiter zu dem Schluss, dass eine Umstellung seiner Verträge oder Prozesse nicht erforderlich sei, sollte er dies sowie die Gründe für die Entscheidung dokumentieren. Dies kann sanktionsmildernd wirken, sollte meine Behörde zu dem Ergebnis kommen, dass sehr wohl Anpassungen zu treffen waren und sind.“
Mai 2021
Design von LEGO bleibt vorerst geschützt
Der Legostein ist seit Generationen eines der erfolgreichsten Spielzeuge. Er erfreut sich seit jeher großer Beliebtheit in allen Altersgruppen und wurde insbesondere nach Ablauf des Patentschutzes von Wettbewerbern gerne und in großem Stil nachgeahmt. Deswegen ließ LEGO, nachdem der Patentschutz an den berühmten Klötzchen im Jahr 2010 ausgelaufen und damit die technische Lösung des Klemmbausteins „gemeinfrei“ geworden war, den beliebten Baustein im Wege einer Designanmeldung schützen.
Gegen das daraufhin eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster stellte die Delta Sport Handelskontor GmbH Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit des Designs mit der Begründung, die Erscheinungsmerkmale des Produkts seien ausschließlich durch ihre technische Funktion bedingt und daher nicht schutzfähig, Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 (Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung – kurz „GGV“). In dem Streit geht es im Kern darum, ob andere Unternehmen ihre mit den Legosteinen vergleichbaren Klemmbausteine herstellen und anbieten dürfen.
Diesem Antrag gab das European Intellectual Property Offices (EUIPO) in zweiter Instanz statt. Die Beschwerdekammer erklärte das Legostein-Design für nichtig und stellte dabei im Wesentlichen darauf ab, dass alle Erscheinungsmerkmale des von dem angefochtenen Geschmacksmuster betroffenen Erzeugnisses ausschließlich durch ihre technische Funktion bedingt seien, um den Zusammenbau und die Demontagen mit weiteren Bausteinen des Sets zu ermöglichen.
In seiner gegen diese Entscheidung gerichteten Klage vor dem EuG verwies LEGO auf Artikel 8 Abs. 3 der GGV, der eine Ausnahmeregelung enthält. Dort heißt es „Ungeachtet des Absatzes 2 besteht ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster unter den in den Artikeln 5 und 6 festgelegten Voraussetzungen an einem Geschmacksmuster, das dem Zweck dient, den Zusammenbau oder die Verbindung einer Vielzahl von untereinander austauschbaren Erzeugnissen innerhalb eines modularen Systems zu ermöglichen.“
Das EuG wirft dem EUIPO vor, diese Ausnahmeregelung bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt zu haben. Die Verbindungselemente der LEGO-Bausteine könnten „ein wichtiges Element der innovativen Merkmale von Kombinationsteilen bilden und einen wesentlichen Faktor für das Marketing darstellen“.
Das EuG kritisiert außerdem, das EUIPO habe nicht alle für die Entscheidung über die Schutzfähigkeit des Legosteins maßgeblichen Erscheinungsmerkmale des Designs geprüft. Konkret habe es außer Acht gelassen, dass der Legostein auf zwei Seiten der viernoppigen Reihe auf seiner Oberseite eine glatte Oberfläche aufweise. Auch dabei handele es sich um ein Erscheinungsmerkmal des Legosteins, das bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen sei.
Im Ergebnis bleibt durch die Entscheidung des EuG die Geschmacksmustereintragung zugunsten von LEGO beim EUIPO vorerst bestehen. LEGO hat damit einen Etappensieg für sich erstritten und kann so seine vorherrschende Stellung auf dem Klemmbausteinmarkt bis auf Weiteres behaupten.
Das letzte Wort in diesem Rechtsstreit ist allerdings noch nicht gesprochen. Das Verfahren kann zum einen noch vor dem EuGH weitergeführt werden, wenn gegen das Urteil des EuG Beschwerde eingelegt wird. Zum anderen könnte auch erneut ein Antrag auf Nichtigkeitsfeststellung beim EUIPO gestellt werden. Da mit dem Urteil des EuG vor allem Rechtsanwendungsfehler des EUIPO festgestellt, die entscheidungserheblichen Rechtsfragen jedoch nicht behandelt wurden, bleibt es um die Schutzfähigkeit der kultigen Klemmbausteine weiterhin spannend.
April 2021
Angemessene Urhebervergütung „Das Boot“ reloaded
Jost Vacano (87) muss weiter auf eine zusätzliche Vergütung für seine Leistung als Chefkameramann des Erfolgsfilms „Das Boot“ warten. Der Bundesgerichtshof (Urt. v. 01.04.2020, Az. I ZR 9/18) verweist den Rechtsstreit an das Oberlandesgericht München zurück, weil dieses bei der komplizierten Berechnung eines Fairnisaufschlags systematische Fehler gemacht habe.
Der Film „Das Boot“ ist einer der erfolgreichsten deutschen Produktionen aller Zeiten und spielte viele Millionen Euro ein. Jost Vacano hatte für seine Tätigkeit als Kameramann ein Honorar in Höhe von rund 100.000 Euro erhalten.
Seit 10 Jahren prozessiert er wegen des überragenden Erfolgs der Verwertung des Films um eine weitere Beteiligung an den Auswertungserlösen. Paragraph 32a des Urheber-Gesetzes sieht eine solche weitere Beteiligung für Urheber vor, wenn diese einem anderen ein Nutzungsrecht zu Bedingungen eingeräumt haben, die in einem auffälligen Missverhältnis zu den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung ihrer Werke stehen.
Beklagte sind die damalige Produktionsgesellschaft, Bavaria Film, der WDR und der Videovertrieb. Das OLG München hatte Vacano insgesamt rund 438.000 Euro plus 150.000 Euro Zinsen zugesprochen. Der BGH hob das Urteil nun auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Das Berufungsgericht hat seiner Prüfung, ob im Streitfall ein auffälliges Missverhältnis besteht, die ursprünglich vereinbarte Pauschalvergütung im Hinblick auf jeden Beklagten in voller Höhe zugrunde gelegt. Es hat dabei nicht berücksichtigt, dass es bei der Prüfung des auffälligen Missverhältnisses gemäß Paragraph 32a UrhG ausschließlich auf das Verhältnis zwischen dem Urheber und dem auf weitere Beteiligung in Anspruch genommenen Nutzungsberechtigten ankommt. Gibt es nur einen Vertragspartner, kann die gesamte mit dem Urheber vereinbarte Vergütung ins Verhältnis zu den gesamten vom Nutzungsberechtigten erzielten Erträgen und Vorteilen gesetzt werden. Gibt es dagegen – wie im Fall von Vacano – einen Vertragspartner (Bavaria Film), der mehreren Dritten (Sublizenznehmern) unterschiedliche Nutzungsrechte eingeräumt hat, muss bei der Prüfung des auffälligen Missverhältnisses jeweils der – zu schätzende – Teil der vereinbarten Vergütung, der auf die von dem jeweiligen Sublizenznehmer verwerteten Nutzungsrechte entfällt, ins Verhältnis zu den von diesem Sublizenznehmer erzielten Erträgen und Vorteilen gesetzt werden.
Auch wenn zu erwarten steht, dass Jost Vacano am Ende einen Fairnisausgleich in beachtlicher Höhe zugesprochen erhalten wird, folgt aus dem Urteil, dass es für Urheber, deren Werke in Lizenzketten verwertet werden, schwieriger ist Nachvergütungsansprüche gemäß Paragraph 32a UrhG durchzusetzen, weil die Frage, welche Teile der empfangenen Gegenleistung (Vergütung) zu den Erträgen und Vorteilen der Sublizenznehmer ins Verhältnis gesetzt werden müssen, erhebliche Rechtsunsicherheiten birgt.
März 2021
EU-Cookie-Richtlinie soll in nationales Recht umgesetzt werden
Nach mehr als zehnjähriger Verzögerung hat die Bundesregierung mit dem Entwurf eines Telekommunikations-Telemedien-Datenschutzgesetzes (TTDSG) die Umsetzung der ePrivacy-Richtlinie der EU auch bekannt als „Cookie-Richtlinie“ aus dem Jahre 2009 angestoßen.
Auslöser hierfür waren wohl die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs „Planet49“ (Az. I ZR186/17) aus Oktober 2019, beziehungsweise Mai 2020, in denen festgestellt worden war, dass sich Websitebetreiber für das Setzen von Werbe-Cookies im Internet die ausdrückliche Zustimmung von Nutzerinnen und Nutzern einholen müssen.
Nach dem Entwurf des neuen TTDSG ist das Speichern von Cookies zukünftig nur erlaubt, wenn der davon betroffene Endnutzer darüber gemäß der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) informiert wurde und in die Speicherung eingewilligt hat.
Laut Gesetzesbegründung betrifft der Paragraf nicht nur Computer und Smartphones, sondern auch „die Vielzahl von Gegenständen im Internet der Dinge, die inzwischen – sei es direkt oder über einen WLAN-Router – an das öffentliche Kommunikationsnetz angeschlossen sind, etwa im Bereich von Smarthome-Anwendungen (z. B. Küchengeräte, Heizkörperthermostate, Alarmsysteme)“. Nicht betroffen sind hingegen Einrichtungen, „die nicht an ein öffentliches Telekommunikationsnetz angeschlossen sind, also etwa in einem geschlossenen Firmennetzwerk kommunizieren“. In den Entwurf nicht aufgenommen wurde die Formulierung eines früheren Entwurfs, wonach der Endnutzer die Einwilligung auch erklären können sollte, „indem er eine dafür vorgesehene Einstellung seines Browsers oder eine andere Anwendung auswählt“.
Die Möglichkeit solcher Browservoreinstellungen und die damit verbundene Nutzerfreundlichkeit hatten Lobbyverbände der Werbe- und Verlagswirtschaft bereits auf EU-Ebene erfolgreich verhindert und man darf davon ausgehen, dass sie auch im hiesigen Gesetzgebungsverfahren Einfluss genommen haben.
Neu hinzugekommen ist eine Regelung in Paragraf 4, wonach Erben oder andere berechtigte Personen die Rechte eines Nutzers gegenüber Telekommunikationsdiensten wahrnehmen können. Das Fernmeldegeheimnis stehe dieser Wahrnehmung nicht entgegen. Auch dem war ein BGH-Urteil aus September 2020 vorausgegangen. Der BGH hatte entschieden, dass Facebook den Eltern eines gestorbenen Mädchens den kompletten Zugang zu deren Account ermöglichen musste. Fazit: Cookie-Manager zur Auswahl und individuellen Einwilligung in das Setzen einzelner Cookies werden für Websitebetreiber zukünftig gesetzlich verpflichtend.
Februar 2021
Prominentenfotos als „Klickköder“ unzulässig
Medien dürfen die Fotos Prominenter nicht unerlaubt für Werbezwecke nutzen – das entschied der Bundesgerichtshof (BGH). Für die Verlagshäuser Bauer und Springer ist das eine Niederlage. Geklagt hatten der Quizmaster Günther Jauch und der frühere Kapitän des ZDF-Traumschiffs, Sascha Hehn.
Im ersten Fall hatte die Programmzeitschrift TV-Movie am 18. August 2015 auf ihrem Facebook-Profil einen Post mit dem Titel „Einer dieser TV-Moderatoren muss sich wegen Krebserkrankung zurückziehen. Wir wünschen, dass es ihm bald gut geht.“ Dazu wurden die Fotos von Roger Willemsen, Günther Jauch, Stefan Raab und Joko Winterscheidt veröffentlicht. In dem Beitrag ging es dann nur um Roger Willemsen, der Anfang 2016 seiner Krebserkrankung erlag.
Jauch sah sich durch die nicht genehmigte Foto-Veröffentlichung und das damit bezweckte „Clickbaiting“ in seinem Recht am eigenen Bild verletzt. Sein Foto sei ohne redaktionellen Bezug veröffentlicht worden, und diene allein dazu mehr Internetklicks und damit mehr Werbeeinnahmen zu erzielen. Neben der Unterlassung verlangte er im Wege des Schadensersatzes eine fiktive Lizenzgebühr von mindestens 20.000 Euro.
Auch Sascha Hehn rügte, dass sein Foto ohne seine Zustimmung im Rahmen eines von „Bild am Sonntag“ initiierten „Urlaubslottos“ veröffentlicht worden war. Hauptpreis war eine 13-tägige Kreuzfahrt zu den Kanaren. Hehn hatte mit dieser Veröffentlichung nichts zu tun und diente hierfür faktisch als Testimonial.
Der BGH urteilte, dass bei beiden Prominenten das Recht am eigenen Bild verletzt worden sei (Az.: I ZR 120/19, I ZR 207/19). Sie hätten sogenannt als „Klickköder“ gedient, weil die Veröffentlichung ihrer Fotos lediglich zu mehr Internetklicks und damit zu mehr Werbeeinnahmen führen. Nur weil mit den Werbeeinnahmen auch die journalistische Arbeit finanziert werden soll, könne dies eine Fotoveröffentlichung ohne redaktionellen Bezug nicht begründen.
Im Fall von Jauch sei das Posting an der Grenze zur Falschmeldung gewesen. Eine fiktive Lizenzgebühr von 20.000 Euro sei wegen des Marktwertes von Jauch nicht zu beanstanden.
Auch Sascha Hehn gestand der BGH den verfolgten Unterlassungsanspruch zu. Bei seinem Foto habe es sich zwar um ein Symbolbild gehandelt, welches sich teilweise von der Person des Klägers gelöst habe. Dies führe aber nicht dazu, „dass das Foto – selbst in einem redaktionellen Kontext – schrankenlos für die Bebilderung einer Kreuzfahrt genutzt werden darf.“ Das kommerzielle Interesse an einer Bewerbung des Gewinnspiels habe auch hier im Vordergrund gestanden. Mit dieser rechtlichen Einschätzung steht nun auch Sascha Hehn die Geltendmachung einer fiktiven Lizenzgebühr offen.
Mit den Urteilen verfestigt der BGH seine Rechtsprechung, dass die Veröffentlichung von Prominentenfotos stets einen redaktionellen Bezug zum konkret bebilderten Inhalt aufweisen muss.
Januar 2021
„Hey Pippi Langstrumpf“ und ein Koffer voller Gold?
Der deutsche Text des Kinderlieds „Hey Pippi Langstrumpf“ stellt eine unfreie Bearbeitung der als Sprachwerk geschützten literarischen Figur Pippi Langstrumpf dar und bedarf deshalb der Zustimmung der Erben der Autorin. Mit Urteil vom 09. Dezember 2020 (Az.: 308 O 431/17) entschied das Landgericht Hamburg in einem durch die Erben der Kinderbuchautorin Astrid Lindgren angestrengten Verfahren gegen die Münchener Filmkunst-Musikverlags- und Produktionsgesellschaft, dass der Liedtext ohne die Zustimmung der Kläger nicht weiter verbreitet werden dürfe und die Kläger außerdem Anspruch auf Auskunft über die seit 2007 mit dem Lied erzielten Einnahmen und Schadensersatz für die ihnen hieran bislang verwehrte Beteiligung hätten. Die deutsche Textversion verletze das Urheberrecht an der literarischen Figur „Pippi Langstrumpf“.
Pippi Langstrumpf beschäftigt die Gerichte immer wieder. Bereits im Jahre 2013 hatte der Bundesgerichtshof (BGH) im Streit um ein Karnevalskostüm den Urheberrechtsschutz für die literarische Figur grundsätzlich bestätigt. Im Jahre 2015 wies der BGH sodann eine Klage der Erben von Astrid Lindgren gegen die Supermarktkette Penny wegen Urheberrechtsverletzung durch den Verkauf eines „Püppi“-Karnevalkostüms (rote abstehende Zöpfe, kurzes T-Shirt-Kleid und lange Ringelstrümpfe) zurück, weil die Übereinstimmungen zwischen der Romanfigur und der Supermarkt-Püppi zu gering gewesen seien.
In dem hiesigen Verfahren vor dem Landgericht Hamburg stellten die Richter fest, dass das Wesen der literarischen Figur in dem angegriffenen Liedtext von Wolfgang Franke genial zum Ausdruck gebracht worden sei und der Liedtext auch einen hohen schöpferischen Eigengehalt aufweise. Eben diese Wesenszüge machten aber die literarische Figur – den Character – der Pippi Langstrumpf aus und seien zugunsten der Autorin beziehungsweise ihrer Erben geschützt. Frankes Text knüpfe damit unmittelbar an die Schöpfung von Astrid Lindgren an und stelle deshalb eine genehmigungsbedürftige Bearbeitung der geschützten Figur dar. Durch die Übernahme ihrer Merkmale wie Haus, Affe und Pferd bringe der Liedtext zum Ausdruck, dass es sich um die Pippi Langstrumpf handele, die der Zuhörer bereits aus Lindgrens Erzählungen kenne.
Es ist davon auszugehen, dass die Münchener Filmkunst-Musikverlags- und Produktionsgesellschaft gegen das Urteil Berufung einlegen wird. Selbst wenn die Erben den Rechtsstreit am Ende gewinnen sollten, stünde damit noch nicht fest, in welcher Höhe sie an den Erträgen aus der Liedverwertung zu beteiligen wären. Die Klärung dieser Frage könnte die Gerichte sodann ein weiteres Mal über Jahre beschäftigen. Umgekehrt muss der Verlag im Hinblick auf die drohenden Schadensersatzansprüche Rückstellungen bilden. Es bleibt abzuwarten, ob die Streitparteien den Rechtsstreit ausfechten oder ihn im Vergleichswege beilegen. Denkbar wäre auch, dass der Verlag den Liedtext abändern lässt, um die festgestellte Urheberrechtsverletzung durch einen größeren Abstand zur literarischen Figur abzuwenden. Es bleibt also spannend.
Dezember 2020
Nachvergütung für „Keinohrhasen“
Die Drehbuchautorin des erfolgreichen Films „Keinohrhasen“ hat wegen des außergewöhnlichen Erfolgs des Films auf Nachvergütung geklagt und einen Etappensieg erzielt.
Der Drehbuchautorin der erfolgreichen Kinofilme „Keinohrhasen“ und „Zweiohrküken“ muss Auskunft über die aus der Verwertung der Filme erzielten Einnahmen gewährt werden. Das hat das Landgericht Berlin in erster Instanz eines gegen die Produktionsfirma und den Vertrieb der Filme angestrengten Rechtsstreits entschieden (Urt. v. 27.10.20, Az. 15 O 296/18). Beide Filme lockten Millionen Besucher in die Kinos. „Keinohrhasen“ war 2008 sogar der erfolgreichste deutsche Film in den deutschen Kinos.
Die Klage der Autorin ist auf den sogenannten Bestsellerparagraphen im Urheberrecht (§ 32a UrhG) gestützt. Dieser gewährt einen Nachvergütungsanspruch, wenn die für eine Werknutzung (hier Verfilmung) ursprünglich vereinbarte Vergütung in Ansehung der später erzielten Erträge in einem auffälligen Missverhältnis steht.
Um diesen Anspruch geltend machen zu können, muss der Anspruchsteller wissen, wie hoch die Erträge waren. Die klagende Autorin hat deshalb eine sogenannte Stufenklage erhoben, mit welcher sie in erster Stufe zunächst nur die Offenlegung der Einnahmen der Produktionsfirma Barefoot Films und des Verleihs Warner Bros. aus den einzelnen Auswertungsbereichen – also etwa Kino, DVD, Pay-TV und Streamingdienste – verfolgt. Dem Auskunftsbegehr wurde stattgegeben, weil die Zivilkammer aufgrund des überdurchschnittlichen Erfolgs der beiden Filme Anhaltspunkte für einen möglichen Anspruch der Klägerin auf weitere Beteiligung sah.
Für den Auskunftsanspruch kommt es also gerade nicht darauf an, in welcher Höhe der Autorin möglicherweise Nachvergütungsansprüche zustehen, ob sie Alleinautorin der Drehbücher war oder lediglich Mitautorin usw.. Maßgeblich ist allein, dass die Auskunft notwendig ist, um auf der nächsten Stufe umfassend die Anspruchsvoraussetzungen aus § 32a UrhG darlegen zu können.
November 2020
Das neue Anti-Abmahngesetz
Das neue Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs („Anti-Abmahngesetz“) ändert in erster Linie das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), aber auch einzelne Bestimmungen des Urheberrechts- und des Designgesetzes sowie des Unterlassungsklagegesetzes.
Worum es geht
In Deutschland ist es üblich, Wettbewerber bei Rechtsverletzungen und bei Verstößen gegen den unlauteren Wettbewerb, wie etwa Verstößen gegen die Preisangabenverordnung (PAnGV) oder bei falschen Impressumsangaben abzumahnen und zur Abgabe einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung aufzufordern. Solche Abmahnungen dienen der schnellen Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen, um teure und unter Umständen langwierige gerichtliche Auseinandersetzung zu vermieden.
Allerdings schießt die sogenannte „Abmahnindustrie“ häufig über das Ziel hinaus, indem sie Abmahnungen als Geschäftsmodell betreibt und selbst geringfügigste Verstöße flächendeckend und in großer Anzahl kostenpflichtig abmahnt. So wird das eigentliche Ziel einer Abmahnung, eine schnelle und kostengünstige Lösung eines Rechtsverstoßes zu erreichen, in ihr Gegenteil verkehrt.
Bereits 2013 sollte das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken durch Regelungen zur Reduzierung von Streitwerten Schutz vor missbräuchlichen Abmahnungen bieten, indem der finanzielle Anreiz für Abmahnungen als Geschäftsmodell reduziert werden sollte. Auch wurde das UWG um eine Regelung ergänzt, wonach missbräuchlich abgemahnte Personen einen Anspruch auf Ersatz der ihnen entstandenen Kosten haben. Offenbar haben diese Regelungen aber bislang nicht den gewünschten Effekt gebracht, weswegen der Gesetzgeber nun mit dem aktuellen Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs nachjustiert.
Nachdem das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs im Bundestag angenommen wurde, hat es am 9. Oktober 2020 ohne Einberufung des Vermittlungsausschusses den Bundesrat passiert. Die wesentlichen Regelungen des Anti-Abmahngesetz sind die folgenden:
Abmahnberechtigte Mitbewerber und Wirtschaftsverbände
Mitbewerber, die abmahnen, müssen nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG-E tatsächlich geschäftlich tätig sein und in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich ähnliche Waren oder Dienstleistungen vertreiben oder nachfragen. Ein nach bisheriger Rechtslage schnell angenommenes konkretes Wettbewerbsverhältnis zum Abgemahnten reicht bei bloßer Randtätigkeit des abmahnenden Mitbewerbers zukünftig nicht mehr aus.
Abmahnende Wirtschaftsverbände müssen zur Abmahnberechtigung gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG zukünftig in der Liste der sogenannten qualifizierten Wirtschaftsverbände nach dem neu eingefügten § 8a UWG eingetragen sein. Die Voraussetzungen zur Aufnahme in diese Liste sind in hoch. So muss der Verein kumulativ nach § 8a Abs. 2 Nr. 1 UWG mindestens 75 Unternehmer als Mitglieder haben sowie nach § 8a Abs. 2 Nr. 2 UWG seit mindestens einem Jahr im Vereinsregister eingetragen sein und seine satzungsmäßigen Aufgaben wahrgenommen haben. Mit diesen Änderungen dürften einige unseriöse Abmahnvereine aus dem Kreis der Abmahnberechtigten herausfallen.
Schutz vor rechtsmissbräuchlichen Abmahnungen und Haftung
Mit dem ebenfalls neu eingefügten § 8b UWG sollen missbräuchliche Abmahnungen verhindert werden. Abmahnungen mit folgenden Merkmalen sind dabei zukünftig verboten:
- Die Abmahnung, dient vorwiegend dazu, einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung oder die Zahlung einer Vertragsstrafe geltend zu machen, § 8b Abs. 2 Nr. 1 UWG. Dieses Verbot bestand bereits nach bisherigen Recht, ist jedoch um die Fälle provozierter Vertragsstrafen ergänzt worden.
- Ein Mitbewerber macht eine erhebliche Anzahl von Verstößen gegen die gleiche Rechtsvorschrift durch Abmahnungen geltend (Massenabmahnungen), § 8b Abs. 2 Nr. 2 UWG.
- Der Ansatz eines unangemessen hohen Gegenstandswerts für eine Abmahnung, § 8b Abs. 2 Nr. 3 UWG.
- Die Vereinbarung oder Forderung einer erheblich überhöhten Vertragsstrafe, § 8b Abs. 2 Nr. 4 UWG.
- Der Vorschlag einer erheblich über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgehende Unterlassungsverpflichtung, § 8b Abs. 2 Nr. 4 UWG.
Für alle Fälle der rechtsmissbräuchlichen Abmahnung gilt, dass der Abgemahnte die für die Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen – also Ersatz seiner eigenen Rechtsberatungskosten – verlangen kann, § 8b Abs. 3 UWG.
Anforderungen an eine Abmahnung, Abmahnkosten und Gegenansprüche
Zukünftig muss eine Abmahnung klar festgelegte Informationen enthalten. Ein Verstoß gegen die in § 13 Abs. 2 UWG definierten inhaltlichen Vorgaben für eine Abmahnung (z.B. Benennung des vorgeworfenen Verhaltens und die darauf zurückzuführende Rechtsverletzung) führt zukünftig dazu, dass z.B. Abmahnkosten nicht verlangt werden können. Zudem kann der Abgemahnte bei einer nicht berechtigten oder nicht den Anforderungen des § 13 Abs. 2 UWG entsprechenden Abmahnung unter Umständen den Ersatz der Kosten für die eigene Rechtsverteidigung verlangen, § 13 Abs. 5 UWG.
Werden Verstöße gegen Kennzeichnungs- und Informationspflichten auf Telemedien (z.B. ein Verstoß gegen die Impressumspflicht nach § 5 TMG) durch einen Mitbewerber abgemahnt, so ist der Erstattungsanspruch für Abmahnkosten zukünftig ausgeschlossen, § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG.
Das Gleiche gilt für Abmahnungen von Kleinstunternehmen (weniger als zehn Mitarbeiter und maximal 2 Millionen Euro Jahresumsatz) und kleinen Unternehmen (weniger als 50 Mitarbeiter und maximal 10 Millionen Euro Jahresumsatz) oder von vergleichbaren Vereinen mit gewerblicher Tätigkeit wegen Verstößen gegen die DSGVO oder das BDSG, § 13 Abs. 4 Nr. 2 UWG.
Anforderungen an Vertragsstrafenregelungen
Mitbewerber dürfen nach § 13a Abs. 2 UWG keine Vereinbarung einer Vertragsstrafe fordern, wenn die Unterlassungsverpflichtung erstmals gefordert wird.
Erfolgt die erstmalige Abmahnung des Verstoßes dagegen durch einen Wirtschaftsverband, eine qualifizierten Einrichtung, eine Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer oder Gewerkschaft, besteht auch weiterhin die Möglichkeit, zur Streitbeilegung unmittelbar die Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung zu verlangen.
In einfach gelagerten Fällen ist die Vertragsstrafe für Verstöße allerdings auf maximal EUR 1.000,00 begrenzt, ebenso der Streitwert des Gerichtsverfahrens.
Sachliche und örtliche Zuständigkeit eines Gerichts / „Fliegender Gerichtsstand“
§ 14 UWG fasst in Zukunft die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Zivilgerichte in einer Norm zusammen und schafft den sogenannten „fliegenden Gerichtsstand“, bei dem sich der Kläger vor allem bei Verstößen im Internet das Gericht mit der ihm günstigsten Spruchpraxis aussuchen konnte, ab. § 14 Abs. 2 UWG regelt nunmehr, dass grundsätzlich nur das Gericht örtlich zuständig ist, in dessen Bezirk der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Eine Ausnahme gilt nach § 14 Abs. 2 S. 2 UWG z.B. für Messeorte („örtlich begrenzter Kreis von Marktteilnehmern“) oder wenn der Beklagte im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand hat.
Fazit
Die dargestellten Regelungen ergänzen das „Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken“ vom 1. Oktober 2013, welches bereits den Schutz vor missbräuchlichen Abmahnungen zum Ziel hatte. Die weiterhin hohe Zahl an Abmahnungen, welche primär die Erzielung von Gebühren und Vertragsstrafen bezwecken, macht ergänzende Regelungen zur weiteren Eindämmung eines Abmahnmissbrauchs erforderlich. Kleinst- und kleine Unternehmen werden zukünftig noch etwas besser geschützt. Insgesamt sind die Anforderungen an kostenpflichtige Abmahnungen einschließlich Vertragsstrafenvereinbarungen durch das Maßnahmenpaket des Anti-Abmahngesetzes gestiegen. Ob dies tatsächlich zu einem Rückgang rechtsmissbräuchlicher Abmahnungen führen wird, bleibt abzuwarten, weil professionelle Abmahnkanzleien und -vereine sich schnell auf die neuen Anforderungen einstellen werden.
September 2020
Quadratisch. Praktisch. Geschützt.
Der Versuch von Milka, eine von Ritter Sport registrierte Formmarke für die quadratische Form von Schokoladentafeln löschen zu lassen, ist gescheitert. Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Az. I ZB 42/19 u.a.) wird Ritter Sport auch weiterhin die einzige quadratische Schokolade in Deutschland bleiben. Der Traditionshersteller darf sich die charakteristische Verpackungsform weiter als Marke schützen lassen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in letzter Instanz entschieden.
Die Alfred Ritter GmbH & Co. KG hat sich die quadratische Verpackung in den 1990er Jahren als Marke schützen lassen. Die Konkurrenz von Milka hatte zehn Jahre lang versucht, das Monopol vor Gericht zu kippen – am Ende vergeblich. Entscheidend in dem Fall war die Frage, ob die Form der Ware ihren „wesentlichen Wert“ verleiht. Denn eine Marke kann immer dann keinen Schutz beanspruchen, wenn sie ausschließlich aus einer Form besteht, „die der Ware einen wesentlichen Wert verleiht“ (Art. 3 Abs. 1 lit. e Marken-RL 89/104/EWG).
Diese Voraussetzung sahen die Richter bei Ritter Sport nicht erfüllt. Die Form habe keinen künstlerischen Wert und führe auch nicht zu Preisunterschieden im Vergleich zu anderen Tafelschokoladen. Zwar sehe der Verbraucher die Verpackung als Hinweis auf die Herkunft der Schokolade und verbinde damit letztlich auch Qualitätserwartungen, er kaufe die Schokolade aber nicht hauptsächlich aus ästhetischen und funktionalen Gesichtspunkten. Bei dieser Beurteilung spielte die Vermarktungsstrategie von Ritter Sport mit dem bekannten Slogan „Quadratisch. Praktisch. Gut.“ eine wichtige Rolle.
August 2020
Kein Urheberrecht für „Früher war mehr Lametta“
Die Antragsgegnerin vertreibt in ihrem Onlineshop T-Shirts und andere Waren mit dem Aufdruck „Früher war mehr Lametta“. Hierbei handelt es sich um ein Loriot-Zitat aus dem Sketch „Weihnachten bei Hoppenstedts“. Loriots Erben stellten einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Betreiberin des Onlineshops, um ihr den Verkauf und die Bewerbung der Waren verbieten zu lassen.
Entscheidung
Das OLG München schloss sich der erstinstanzlichen Entscheidung des LG München an und wies den Unterlassungsantrag zurück. Der Wortfolge „Früher war mehr Lametta“ fehle es an der für eine Werkqualität i.S.v. §2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG erforderlichen Originalität und Schöpfungshöhe.
Für eine Einordnung als urheberrechtlich geschütztes Werk sei erforderlich, dass es eine persönliche geistige Schöpfung seines Urhebers zum Ausdruck bringe. Auch wenn man den Maßstab der sogenannten kleinen Münze bei Sprachwerken zugrunde lege, so das OLG München weiter, erhalte die Wortfolge ihre Besonderheit und Originalität allein durch die Einbettung in den Loriot-Sketch „Weihnachten bei Hoppenstedts“ und die Situationskomik. Losgelöst hiervon handele es sich um einen eher alltäglichen und belanglosen Satz, der entweder schlicht zum Ausdruck bringe, dass früher mehr Lametta benutzt wurde, oder metaphorisch, dass es früher „mehr Schmuck, Glanz, festliche Stimmung oder Ähnliches“ gegeben habe.
Daran änderten auch die geltend gemachte grammatikalische Originalität der Wortfolge und die Absicht nichts, den Ausspruch „Früher war alles besser“ der Lächerlichkeit preiszugeben. Schließlich sei für die Beurteilung der Werkqualität auch unbedeutend, dass die Wortfolge für verschiedene Produkte verwendet wurde, da auch banale Wortfolgen nachgefragt sein könnten.
Praxishinweis
Die Entscheidung stützt sich auf die „Infopaq“-Entscheidung des EuGH aus dem Jahre 2009. Der EuGH hatte geurteilt, dass eine aus elf Teilen bestehende Wortfolge urheberrechtlichen Schutz genießen kann. Das Bejahen der Schutzfähigkeit stand jedoch auch dort unter dem Vorbehalt, dass die zitierten Worte selbst die eigene geistige Schöpfung durch den Urheber zum Ausdruck bringen müssen. Vorliegend vermochten die Münchner Richter zwar dem Hauptwerk „Sketch“ Werkqualität zuzuerkennen. Die Einbettung des Satzes „Früher war mehr Lametta“ in diesen und die Situationskomik vermochten der an sich nicht eigentümlichen Wortfolge aber nicht die hinreichende Schöpfungshöhe zu verleihen.
Anders hat das LG München im Jahr 2014 entschieden. Dort hielt es besonders eigenschöpferische Buchrezensionen für urheberrechtlich schutzfähig und bejahte den Werkschutz für die Verwendung des Begriffs „schwarzes Loch“ für eine Zeitepoche und die Wortfolge „Feuerwerk kriminalistischer Harmlosigkeit“.
Angesichts der insgesamt eher restriktiven Rechtsprechung zur Schutzfähigkeit knapper Wortfolgen sind Agenturen und Werbungtreibende gut beraten, sich nicht auf die urheberrechtliche Schutzfähigkeit kurzer Wortfolgen oder Slogans zu verlassen. Stattdessen sollte hierfür stets die Anmeldung einer Wort- oder einer Wort-/Bildmarke erwogen werden.
Juli 2020
Klarer Rechtsrahmen für Influencer-Marketing
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz will einen sicheren Rechtsrahmen für unentgeltliche Empfehlungen von Influencern und Bloggern schaffen und hat dazu am 13. Februar 2020 einen Regelungsvorschlag veröffentlicht.
Obgleich Cathy Hummels den gegen sie wegen angeblicher Schleichwerbung geführten Prozess im vergangenen Jahr gewinnen konnte, brachte der Prozess nicht die gewünschte Klarheit, ob Influencer und Blogger überhaupt noch Dinge anpreisen dürfen, ohne das als Werbung zu kennzeichnen – auch wenn es sich nicht um Werbung handelt. Daher begannen viele Influencer, jeden einzelnen Post mit Hashtags wie #Anzeige oder #Werbung zu versehen – obwohl es sich nicht zwangsläufig um solche handelte.
Nach dem neuen Gesetzesentwurf, der das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ergänzt, soll der Vermerk dann nicht mehr nötig sein, wenn die Äußerungen ohne Gegenleistung erfolgen und vorrangig der Information und Meinungsbildung dienen. Würde der Gesetzesvorschlag ratifiziert werden, brächte das nicht nur Klarheit, sondern auch Rechtssicherheit – sowohl für Unternehmen als auch Influencer.
Juni 2020
Cookies auf Websiten erfordern aktive Zustimmung
Nutzer müssen der Verwendung von Cookies im Internet aktiv zustimmen, eine voreingestellte Lösung ist nicht mehr zulässig. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) am 28.05.2020 in seiner Entscheidung „Cookie-Einwilligung II“ entschieden. Das Urteil hat weitreichende Folgen für die Einwilligungsgestaltung von Webseitenbetreibern in Deutschland. Denn bislang gab es für deutsche Internetportale ein Schlupfloch im Telemediengesetz.
Dem Urteil liegt ein Streit zwischen einem Anbieter von Onlinegewinnspielen, Planet49, und dem Bundesverband der Verbraucherzentralen zugrunde. Die Verbraucherschützer hatten gerügt, dass ein voreingestelltes Häkchen zur Cookie-Einwilligung den Nutzer unangemessen benachteilige und klagten auf Unterlassung. Der BGH hatte die Frage zu klären, ob ein Nutzer durch ein voreingestelltes Kästchen überhaupt wirksam der Cookie-Setzung zustimmen kann. Im Fokus des Streits stand die Vereinbarkeit des deutschen Telemediengesetzes (TMG) mit der europäischen E-Privacy-Richtlinie. Während die E-Privacy-Richtlinie Webseitenbetreiber dazu verpflichtet, den Nutzer aktiv zustimmen zu lassen, wenn personenbezogene Daten gespeichert werden, lässt das deutsche TMG, auf das sich Planet49 berief, die Option eines Widerspruchs offen. Hiernach müsste ein Webseitenbesucher also lediglich über das Setzen von Cookies und seine Möglichkeit dem zu widersprechen aufgeklärt werden (Opt-out-Lösung). Der BGH entschied nun, dass die deutsche Lösung nicht zulässig ist.
Unter Datenschützern ist die Gestaltung und Verwendung von technisch nicht notwendigen Cookies, also etwa für Marketingzwecke, schon lange umstritten. Ursprünglich sollte mit Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) im Jahr 2018 auch eine neue E-Privacy-Verordnung kommen. Als Verordnung würde sie – anders als eine Richtlinie, die die nationalen Gesetzgeber lediglich zur Umsetzung verpflichtet – unmittelbar wirken und nationales Recht verdrängen. Gerade im Hinblick auf die Handhabung von Cookies konnte sich jedoch bis heute kein Entwurf durchsetzen. Insofern bringt das neue Urteil des BGH zumindest vorläufig mehr Planungssicherheit für deutsche Unternehmen im Umgang mit dem User-Tracking. Ob die Verpflichtung zur aktiven Einwilligung auch für unbedingt erforderliche – funktionale – Cookies gilt oder, ob diese nach wie vor in den gängigen Cookie-Consent-Management-Tools voreingestellt werden können, wurde in dem Verfahren nicht entschieden.