GRAND PRIX 19
Der DDC vergibt den GRAND PRIX jedes Jahr an ein Unternehmen, das sich durch besonderes Design und durch eine Vorbildfunktion für die Branche auszeichnet. 2019 ging dieser Preis an Adidas x Parley for the Oceans, die gemeinsam etwas gegen die Meeresverschmutzung durch Plastikmüll tun.
Plastik ist überall. Gleich in welcher Industrie: von den nicht wahrnehmbaren „Hidden Plastics“ in einem Großteil der heutigen Kosmetikprodukte bis hin zu der unterschätzten Reifenabnutzung von Automobilen. Allein in Deutschland gelangen jedes Jahr auf diesem Wege einige Zehntausend Tonnen Mikroplastik in die aquatische Umwelt. Man kann diese Liste noch weiter ausführen (siehe Daten und Fakten). Der Kampf um unsere Meere scheint eigentlich aussichtslos. Wo können wir hier ansetzen? Ist unser gemeinsames Glas schon halb leer, oder ist es noch halb voll?
In der gegenwärtigen Zeit gilt mehr denn je, dass sich verantwortungsvolles und relevantes Design nicht erst im Produkt manifestiert, sondern viele Schritte davor. Neben dem Material werden Fragen zur gesamten Lieferkette und zu den Arbeitsbedingungen bei den Konsumenten zum Glück immer relevanter.
Der DDC zeichnet vor diesem Hintergrund ein Unternehmen und eine Initiative aus, die sich gemeinsam auf den Weg gemacht haben und Verantwortung tragen: Der GRAND PRIX im Rahmen von GUTE GESTALTUNG 19 geht an Adidas für die Kooperation mit Parley for the Oceans, die seit 2015 die Verschmutzung der Weltmeere durch Plastikmüll in Angriff nehmen.
Mehr als 1/7 unserer Erdoberfläche ist von Wasser bedeckt
Mit dieser Auszeichnung will der DDC bewusst kein konkretes Einzelprodukt hervorheben, sondern vielmehr einen Ansatz würdigen, der ein Bewusstsein für die Materialien schafft, die wir alle täglich konsumieren und verwenden. Und welches Massen-Designprodukt wäre dafür besser geeignet als Kleidung, die zu den persönlichsten Dingen unserer heutigen Gesellschaft gehört, die Persönlichkeit und Individualität ausdrückt. Sie gibt uns Schutz, sie stellt uns aber auch dar.
Der Ansatz von Adidas x Parley for the Oceans basiert auf der Vermeidung, dem Sammeln und dem Recycling des Plastikmülls in den Meeren. Rund um die Malediven, an den Küsten, im Meer und aus den Tiefseefischernetzen, sammelt die Initiative, die Adidas mitgründete, Kunststoffabfälle, um sie im Anschluss weiterzuverarbeiten. In einem mehrstufigen Verfahren wird dieses Plastik wieder zu Fasern und Garnen aufbereitet.
Jede Minute wird die Menge eines Lastwagens Plastikmüll in die Weltmeere eingetragen
2015 erfolgte der Startschuss: 50 Prototypen des ersten Schuhs wurden verlost. Zur Herstellung wurden Hochseefischernetze verarbeitet, die die Organisation Sea Shepherd bereitgestellt hatte. Im November 2015 wurde der Nachfolger „Ultraboost Uncaged Parley“ in einer limitierten Auflage von 7.000 Exemplaren in ausgewählten Verkaufsstellen angeboten. Für jedes Paar wurden elf Plastikflaschen wiederverwertet. In den letzten Jahren wurde der Einsatz des Recycling-Materials auf weitere Schuhe für Sportarten wie Fußball oder Golf sowie auf weitere Produktkategorien wie Bekleidung ausgeweitet.
Adidas x Parley for the Oceans steht aber auch für Kommunikation. Über Kampagnen wie „Run for the Oceans“ sprechen die Verantwortlichen auf positive Weise ihre Zielgruppe an und versuchen dadurch, die Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken. Selbst die Fußballvereine Bayern München und Real Madrid konnten sie mit ihrer Initiative überzeugen.
Das sechste Massenaussterben der Erdgeschichte hat bereits begonnen
Nun kann man sagen, die Initiative sei zu marginal für die Gesamtsituation der Meere. Adidas setzt sich somit auch der Kritik aus. Vielen geht das nicht weit genug oder zu langsam. Was ja auch, wenn man an die Prognosen denkt, stimmt. Denn angesichts der Zerstörung der Meere gibt es tatsächlich nur ein Ziel: generell Plastik zu vermeiden. Doch wie kommen wir da hin? Wie muss der Weg aus unserem bestehenden System heraus, das in sehr großen Skalierungen Konsumgüter auf den Markt wirft, verändert werden? Adidas hat sich mit Parley for the Oceans vor drei Jahren auf diesen Weg gemacht. Was mit 7.000 Paar Schuhen begann, lag 2017 bei 1 Million verkauften Paar Schuhen aus Parley Ocean Plastic, 2018 bereits bei über 5 Millionen. 2018 hat das Unternehmen Adidas darüber hinaus erklärt, dass es ab 2024 sukzessive auf „Virgin Plastics“ verzichten wolle und nur noch recyceltes Polyester einsetzen werde. Bemerkenswert ist auch der „Adidas Futurecraft Biofabric“, bislang ein Konzeptschuh, der durch ein natürliches Verfahren zu 100 Prozent biologisch abbaubar ist.
Adidas x Parley for the Oceans ist aus Sicht des DDC auf dem richtigen Weg. Die Entwicklungen dienen aber nicht nur zu einem Kompetenzaufbau im eigenen Unternehmen, sondern senden auch ein Zeichen an andere Unternehmen, diese Herausforderung als eine wirtschaftliche Chance zu begreifen.
Jeder zweite Atemzug, den wir nehmen, wird von den Ozeanen generiert
Ist das Glas nun halb voll oder halb leer? Die Veränderung kommt nur, wenn sich viele auf den Weg machen. Die Industrie, der Konsument und wir Designer. Jeder kann Gewohntes hinterfragen, die individuellen Routinen der täglichen „Convenience“ anschauen. Wenn wir alle im nächsten Jahr wieder am Meer sind, egal ob an der Nord- oder Ostsee, dem Atlantik oder dem Pazifik, sollten wir es uns ganz genau ansehen und uns diesen so wichtigen Ort, einen Sehnsuchtsort, erhalten. Aber eins ist klar: Wir alle arbeiten konsumfördernd. Ob wir nun Produkte entwickeln oder Werbung und Kommunikation machen, ob wir für die Wirtschaft oder für die Kultur tätig sind. Es gehört zum Leben dazu: Wir verbrauchen nun einmal Ressourcen. Der Mensch kann nicht nicht konsumieren! Die Frage ist nur, wie wir es tun.