UNIVERSITY AWARD 19

Erstmals seit Bestehen des DDC-Wett­be­werbs GUTE GESTALTUNG wurden zur Aus­gabe 19 student­ische Arbei­ten aus allen Kate­gorien mit dem UNI­VERSITY AWARD in GOLD, SILBER und BRONZE aus­ge­zeichnet. Der mit 5.000 Euro dotierte erste Platz ging an Claudia Bumb und Christian Vukomanovic für ihre Arbeit „Under Water Over Flow“.

Veröffentlicht am 09.02.2021

Kunststoff befindet sich heut­zu­tage in vielen Ob­jekten und selbst in Lebens­mitteln. Erst lang­sam wird den meisten Menschen be­wusst, welch fatale Folgen unser stetig steigen­der Kon­sum an Plastik für das Leben auf unserem Pla­neten hat. Die beiden Studieren­den Claudia Bumb und Christian Vuko­mano­vic von der Hochschule Hannover ver­suchen, eine Antwort auf die Ver­schmutz­ung der Ozeane durch Plastik zu geben: mit einer Mode­kollektion, die aus sorten­rein trenn­baren und recycel­baren Materialien nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip ge­fertigt wurde, und gleich­zeitig mit einer Publi­kation, die das Thema nicht nur inform­ativ, sondern auch gestal­terisch zu ver­mit­teln weiß. Für ihre Arbeit „Under Water Over Flow“ in der Kate­gorie PUB­LISH­ING wurden sie mit dem neu ge­schaffenen UNI­VERSITY AWARD in GOLD aus­ge­zeich­net. Die Aus­zeich­nung ist mit einem Preis­geld in Höhe von 5.000 Euro dotiert.



Design ist zentral

Claudia Bumb und Christian Vuko­mano­vic sind Freunde und Partner, ein höchst pro­duktives und kreatives Team auf vielen Ebenen. Bei einem Urlaub in Portugal sehen sie den Plastik­müll ange­spült am Strand und ent­wickeln eine Idee. Claudia interes­siert sich für nach­haltig produ­zierte Textilien, faire Arbeits­be­ding­ungen und das Cradle-to-Cradle-Prinzip, das besagt, ein­mal ver­wendete Res­sour­cen und Materi­alien so lange wie möglich in der Wert­schöpfungs­kette zu er­halten, sie wieder­zu­ver­wenden oder wieder­auf­zu­be­reiten. Durch das Schließen von Kreis­läufen soll Abfall erneut zu einer Res­sour­ce werden. Die Rolle des Designs ist dabei zentral, denn es bestimmt maß­geblich über den Lebens­zyklus eines Materials oder Produkts. Sind Produkte nach Cradle-to-Cradle zerti­fiziert, müssen sie strenge Be­ding­ungen er­füllen. Christian wieder­um beschäftigt sich mit Pub­lishing, mit dem Buch als hap­tischem Informations­träger. Auch hier haben etwa die Wahl des Papiers oder die Art der Her­stellung und Ver­arbeitung Ein­fluss auf die Ökobilanz.

Sollen als Aufruf verstanden werden: Ein Buch …
Bilder © Claudia Bumb und Christian Vukomanovic

Warum also nicht die Ideen zusammen­bringen? Ein Buch, das dieses Thema aus­führ­lich und nach­voll­zieh­bar auf­be­reitet, und eine Circular-Fashion-Kollektion, die als Auf­ruf ver­standen werden soll. So gehen zwei junge Menschen, eine zukunfts­weisende Idee und ein gemein­sames Ziel Hand in Hand.

Claudia entwirft „Under Water Over Flow“ als Kollek­tion, die zwei­fach wirkt: Sie provo­ziert in ihrer An­mutung und ver­körpert gleich­zeitig eine Alter­native durch den Einsatz von re­cycelten Synthetik­fasern. Dazu hat Claudia sich inten­siv mit den Mög­lich­keiten von Circular Fashion aus­einander­gesetzt. Ent­standen sind extra­vagante Show­pieces, die sich zwischen mini­malist­ischer Eleganz und Zitaten von Zer­störung be­wegen. Zusätzlich wurden Modelle ge­fertigt, die funktio­nal und damit tragbar sind.



Ungewöhnliche Struktur

Die Herleitung und Ent­stehung dieser speziellen Kollek­tion hat Christian in einer Publi­kation dokumen­tiert, die darüber hinaus all­gemeine und umfang­reiche Hinter­grund­infor­mationen liefert. Seine Ab­sicht ist, den Blick auf und den Um­gang mit Kunst­stoff zu schärfen, die Dra­ma­tik zu be­nennen und Alter­nativen zu dis­kutieren. Das Layout des Buchs bedient sich einer un­gewöhn­lichen Struktur­ierung, die den Leser in Un­ruhe ver­setzt, ihn zum Inne­halten anregt, zum Blättern, Wieder­holen und Nach­recher­chieren. Die flatternden Sätze und zu­fällig an­geord­neten freien Flächen zwischen den Head­lines wirken dabei ähn­lich wie die lose schwebenden Plastik­teile im Meeres­wasser – als Störer.

… und eine Circular-Fashion-Kollektion.
Bilder © Claudia Bumb und Christian Vukomanovic

Auf einer Seite werden die chemischen Namen und Abkürzungen von Kunststoffen aufgereiht wie in einem chemischen Periodensystem: Polyethylen, Polypropylen, Polyethylenterephthalat, Nylon-6, Nylon-12, Polyurethan, Acrylates … Es folgen Schilderungen der Problematik: „Eine Plastiktüte hat im Durchschnitt eine Gebrauchsdauer von 25 Minuten, wird aber, wenn sie nicht verbrannt wird, das 153.300.000-Fache an Zeit fortexistieren, um sich dann auf toxische Weise zu zersetzen.“



Konkretes Handeln

Man kann sich die Auswirkungen der rund acht Millionen Tonnen Plastikabfälle, die jährlich in die Meere gelangen, kaum vorstellen. Konkretes Handeln als Konsequenz aus diesen Er­kennt­nis­sen ist der einzige Weg, den es kompromisslos zu gehen gilt. Als Designer haben wir die Chance, dieser gewaltigen Herausforderung aus einer anderen Perspektive her­aus zu be­gegnen. Aber nicht nur wir als Ge­stal­ter stehen in der Pflicht, wir müssen dies auch gemein­sam mit unseren Kollegen aus Wirt­schaft und Industrie tun. Hier haben Claudia und Christian sowohl in puncto Argu­men­ta­tion und Auf­klärung als auch durch die kreative Um­setz­ung der Kollek­tion und des Buchs einen bemerkens­werten und vor­bild­lichen Bei­trag geleistet.

Rainer Gehrisch ist Mitglied des Vorstandes des DDC.

 

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