UNIVERSITY AWARD 19
Erstmals seit Bestehen des DDC-Wettbewerbs GUTE GESTALTUNG wurden zur Ausgabe 19 studentische Arbeiten aus allen Kategorien mit dem UNIVERSITY AWARD in GOLD, SILBER und BRONZE ausgezeichnet. Der mit 5.000 Euro dotierte erste Platz ging an Claudia Bumb und Christian Vukomanovic für ihre Arbeit „Under Water Over Flow“.
Kunststoff befindet sich heutzutage in vielen Objekten und selbst in Lebensmitteln. Erst langsam wird den meisten Menschen bewusst, welch fatale Folgen unser stetig steigender Konsum an Plastik für das Leben auf unserem Planeten hat. Die beiden Studierenden Claudia Bumb und Christian Vukomanovic von der Hochschule Hannover versuchen, eine Antwort auf die Verschmutzung der Ozeane durch Plastik zu geben: mit einer Modekollektion, die aus sortenrein trennbaren und recycelbaren Materialien nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip gefertigt wurde, und gleichzeitig mit einer Publikation, die das Thema nicht nur informativ, sondern auch gestalterisch zu vermitteln weiß. Für ihre Arbeit „Under Water Over Flow“ in der Kategorie PUBLISHING wurden sie mit dem neu geschaffenen UNIVERSITY AWARD in GOLD ausgezeichnet. Die Auszeichnung ist mit einem Preisgeld in Höhe von 5.000 Euro dotiert.
Design ist zentral
Claudia Bumb und Christian Vukomanovic sind Freunde und Partner, ein höchst produktives und kreatives Team auf vielen Ebenen. Bei einem Urlaub in Portugal sehen sie den Plastikmüll angespült am Strand und entwickeln eine Idee. Claudia interessiert sich für nachhaltig produzierte Textilien, faire Arbeitsbedingungen und das Cradle-to-Cradle-Prinzip, das besagt, einmal verwendete Ressourcen und Materialien so lange wie möglich in der Wertschöpfungskette zu erhalten, sie wiederzuverwenden oder wiederaufzubereiten. Durch das Schließen von Kreisläufen soll Abfall erneut zu einer Ressource werden. Die Rolle des Designs ist dabei zentral, denn es bestimmt maßgeblich über den Lebenszyklus eines Materials oder Produkts. Sind Produkte nach Cradle-to-Cradle zertifiziert, müssen sie strenge Bedingungen erfüllen. Christian wiederum beschäftigt sich mit Publishing, mit dem Buch als haptischem Informationsträger. Auch hier haben etwa die Wahl des Papiers oder die Art der Herstellung und Verarbeitung Einfluss auf die Ökobilanz.


Warum also nicht die Ideen zusammenbringen? Ein Buch, das dieses Thema ausführlich und nachvollziehbar aufbereitet, und eine Circular-Fashion-Kollektion, die als Aufruf verstanden werden soll. So gehen zwei junge Menschen, eine zukunftsweisende Idee und ein gemeinsames Ziel Hand in Hand.
Claudia entwirft „Under Water Over Flow“ als Kollektion, die zweifach wirkt: Sie provoziert in ihrer Anmutung und verkörpert gleichzeitig eine Alternative durch den Einsatz von recycelten Synthetikfasern. Dazu hat Claudia sich intensiv mit den Möglichkeiten von Circular Fashion auseinandergesetzt. Entstanden sind extravagante Showpieces, die sich zwischen minimalistischer Eleganz und Zitaten von Zerstörung bewegen. Zusätzlich wurden Modelle gefertigt, die funktional und damit tragbar sind.
Ungewöhnliche Struktur
Die Herleitung und Entstehung dieser speziellen Kollektion hat Christian in einer Publikation dokumentiert, die darüber hinaus allgemeine und umfangreiche Hintergrundinformationen liefert. Seine Absicht ist, den Blick auf und den Umgang mit Kunststoff zu schärfen, die Dramatik zu benennen und Alternativen zu diskutieren. Das Layout des Buchs bedient sich einer ungewöhnlichen Strukturierung, die den Leser in Unruhe versetzt, ihn zum Innehalten anregt, zum Blättern, Wiederholen und Nachrecherchieren. Die flatternden Sätze und zufällig angeordneten freien Flächen zwischen den Headlines wirken dabei ähnlich wie die lose schwebenden Plastikteile im Meereswasser – als Störer.


Auf einer Seite werden die chemischen Namen und Abkürzungen von Kunststoffen aufgereiht wie in einem chemischen Periodensystem: Polyethylen, Polypropylen, Polyethylenterephthalat, Nylon-6, Nylon-12, Polyurethan, Acrylates … Es folgen Schilderungen der Problematik: „Eine Plastiktüte hat im Durchschnitt eine Gebrauchsdauer von 25 Minuten, wird aber, wenn sie nicht verbrannt wird, das 153.300.000-Fache an Zeit fortexistieren, um sich dann auf toxische Weise zu zersetzen.“
Konkretes Handeln
Man kann sich die Auswirkungen der rund acht Millionen Tonnen Plastikabfälle, die jährlich in die Meere gelangen, kaum vorstellen. Konkretes Handeln als Konsequenz aus diesen Erkenntnissen ist der einzige Weg, den es kompromisslos zu gehen gilt. Als Designer haben wir die Chance, dieser gewaltigen Herausforderung aus einer anderen Perspektive heraus zu begegnen. Aber nicht nur wir als Gestalter stehen in der Pflicht, wir müssen dies auch gemeinsam mit unseren Kollegen aus Wirtschaft und Industrie tun. Hier haben Claudia und Christian sowohl in puncto Argumentation und Aufklärung als auch durch die kreative Umsetzung der Kollektion und des Buchs einen bemerkenswerten und vorbildlichen Beitrag geleistet.