Always on Display // Silke Schwarz // 08:34 min // Videostill © Casa Planas Archiv

DESIGN DISKURS

Mit der Reihe „Learn & Burn“ geben die Women of DDC ihre Erfahrun­gen und Leiden­schaft weiter. Dabei geht es um Empower­ment, Erkennt­nis, Wissens­aus­tausch, Wert­schätz­ung, Verant­wort­ung, Sicht­bar­keit und Moti­vation. Nun wird Learn & Burn, das sich alle zwei Jahre wieder­­holen soll, zum DDC Jahres­­motto 2024. Das State­ment der Women of DDC dazu.

Veröffentlicht am 05.01.2024

„Feminists are made, not born. One does not become an advocate of feminist politics simply by having the privilege of having been born female. Like all political positions one becomes a believer in feminist politics through choice and action. When women first organized in groups to talk together about the issue of sexism and male domination, they were clear that females were as socialized to believe sexist thinking and values as males, the difference being simply that males benefited from sexism more than females and were as a consequence less likely to want to surrender patriarchal privilege. Before women could change patriarchy we had to change ourselves; we had to raise our consciousness.“

bell hooks 1

Warum wir lernen und brennen

Um unsere Gesellschaft in die not­wendige Trans­forma­tion zu führen, ist es essen­ziell, ständig offen für Neues zu sein, von­ein­ander zu lernen und mit voller Energie für eine posi­tive Ent­wick­lung zu ar­beiten. Dabei darf keine Gruppe außen vor bleiben, kein positiver Im­puls ignoriert werden. Die Beharrungs­kräfte in einem vor­han­denen System sind erfahrungs­ge­mäß sehr stark. Struk­turen sind gewöhn­lich so ange­legt, dass sie sich eher selbst ver­stärken als verändern.

Deshalb haben wir 2018 die Women of DDC ge­gründet (weil wir selbst Frauen sind, weil wir sehen, dass die weib­liche Hälfte der Gesell­schaft in vielen Bereichen immer noch schlechter ge­stellt ist). Gemein­sam wollen wir uns in unserem un­mittel­baren Wirkungs­feld für eine bessere Gesell­schaft für alle ein­setzen. Lang­sam aber sicher setzt sich die Erkennt­nis durch, dass eben alle von einer geschlechter­gerechten Gesell­schaft profitieren.

Women’s Table der Women of DDC am 15. November 2022 in Frankfurt am Main. Bild © Fabian Nerstheimer

Wir wissen natürlich, dass wir hier in einer vergleichs­weise guten Situ­ation leben, aber wir wis­sen auch, dass es besser sein könnte – fairer, demo­kratischer, nach­haltiger – eigent­lich nicht nur könnte, sondern muss. Um eine bessere Zu­kunft zu ge­stalten, wollen wir ein Bild dieser Zu­kunft ent­wickeln, dabei alle ein­be­ziehen und dann dieses Bild auch tat­kräftig in die Realität um­setzen. Dabei kommt der Kreativ­branche ganz gewiss eine wichtige Rolle zu.

Es ist wichtig, dass wir alle Stimmen hören und bereit sind, von allen zu lernen, jen­seits der Pole Alt oder Jung, Mann oder Frau, privi­legiert oder sogenannte Rand­gruppe, Weiß oder Schwarz – und natür­lich auch in den jeweiligen Blasen unter­ein­ander und immer auf Augen­höhe.

Wir lernen, Dogmen zu miss­trauen, Strukturen zu durch­schauen und Traditi­onen zu hinter­fragen. Gerade in Zeiten von KI gilt es, auf­zu­passen, dass alte Vor­urteile nicht durch zu­grunde liegende unaus­ge­wogene Daten­sätze ver­stärkt werden. Denn KI ist entgegen dem allge­meinen Sprach­ge­brauch nicht intelli­gent, sondern basiert ledig­lich auf extrem schneller statistischer Muster­er­kenn­ung, und jede Statis­tik ist nur so gut wie die ent­sprechende Daten­basis. Das klar­sichtige Buch „Invisible Women“ von Caroline Criado-Perez hat ein­drück­lich ge­zeigt, wie be­reits bisher die Hälfte der Gesell­schaft, die Frauen, in den Basis­daten ver­nach­lässigt oder be­wusst aus­ge­blendet werden. Noch immer gilt das männ­liche Geschlecht als Norm. Das führt unter anderem dazu, dass viele Dinge des täg­lichen Lebens für Männer ge­staltet sind, ange­passt an ihren Organis­mus, ihre Körper­maße, ihren Tages­ab­lauf (zum Beispiel Sicher­heits­systeme, Medi­kamente, Sprach­erken­nung). Hier zeigt sich die besondere Bedeut­ung unserer Bran­che, sowohl für die Gestalt­ung unserer Um­welt als auch für die Er­weiter­ung der Per­spek­tiven auf die Diversi­tät der gesamten Gesellschaft.

Die Designbranche ist bereits seit mehreren Jahr­zehnten einer ständigen Ver­schiebung in der Wert­schöpfungs­kette unter­worfen. Wir wurden früher als andere stark von der Digitali­sier­ung er­fasst. Trans­forma­tion ist des­halb für uns nichts Neues. Aber die Geschwindig­keit und die Heraus­forderung steigen.

Learn & Burn Lab for female Leadership 2021. Bild © Beatrice Steimer

Deshalb haben wir, die Women of DDC, „Learn & Burn“ ins Leben ge­rufen. Bei den Ver­an­stalt­ungen dieser Reihe geben wir unsere Er­fahrun­gen und unsere Leiden­schaft weiter. Nutzen unsere Kon­takte, um uns mit klugen Frauen aus­zu­tauschen. Dabei lernen wir selbst viel Wert­volles von allen Teil­nehmer­*innen. Es geht um Empower­ment, Erkennt­nis, Wissens­aus­tausch, Wert­schätz­ung, Verant­wort­ung, Sicht­barkeit und Motivation.

 

Warum wir Learn & Burn machen

Wir alle können nur davon profitieren, wenn wir dem Motto Learn & Burn ein Leben lang folgen. Weil keine von uns zu klug für diese Welt ist und weil wir für alles, was uns wichtig ist, immer mit voller Verve dabei sein sollten.


Wir lernen ein Leben lang, weil

  • sich die Welt immer schneller dreht
  • die Wahrheiten von gestern die Probleme von heute verursachen
  • keine von uns, und sei man noch so empathisch, sich allein in alle Perspek­tiven hineindenken kann


Wir treten gemeinsam für unsere Überzeugungen ein, weil

  • viel Energie notwendig ist, um verkrustete Strukturen aufzuweichen
  • es immer nur in kleinen Schritten möglich ist, einge­fahrene Strukturen zu verändern
  • wir andere nur über­zeugen und begeistern können, wenn wir selbst voll und ganz hinter unseren Über­zeugungen und unserem Handeln stehen
  • Tatkraft und Motivation Grund­voraus­setzun­gen für Veränder­ungen sind
  • man alleine vielleicht verbrennt, gemeinsam aber leuchtet


Die Women of DDC haben „Learn & Burn“ ins Leben gerufen, weil wir voneinander lernen wollen,

  • von Gleich zu Gleich
  • von Jung zu Alt
  • von Erfahren zu Unvoreingenommen
  • von hier nach dort
  • von der Vergangenheit zur Zukunft
  • und natürlich auch stets umgekehrt
  • und immer absolut auf Augenhöhe


Wir agieren gemeinsam in einem Safe Room mit Frauen und allen, die sich weiblich lesen und strukturelle Probleme bei der Geschlechtergerechtigkeit erkennen, benennen und verändern wollen, weil

  • der Gender Pay Gap immer noch himmelschreiend ist. Laut Presse­mitteilung des Statistischen Bundes­amts vom 30. Januar 2023 liegt der Gap bei 18 Prozent 2
  • die Diskrepanz zwischen der hohen Zahl weiblicher Absol­ventin­nen in kreativen Studien­gängen und dem niedrigen Anteil in den Führungs­etagen von kreativen Unter­nehmen und Insti­tutio­nen nach wie vor be­drückend ist
  • nur fast jede dritte Führungs­kraft in Deutschland eine Frau ist 3
  • wir in Deutsch­land in den meisten Statistiken zur Geschlechter­gerechtig­keit immer noch auf den hinteren Rängen liegen, zum Beispiel bei den Führungs­positionen in der EU auf Platz 25 von 31
  • in der Kreativbranche selbst immer noch gerne behauptet wird, dieses Problem hätten nur andere Branchen 4
  • der Gender Pay Gap desto größer ist, je höher die Menschen qualifiziert sind
  • wir selbst dort, wo wir sehr aktiv sind, immer noch zu wenig sichtbar sind


Was wir mit Learn & Burn erreichen wollen

  • die Sichtbarkeit von Frauen in der Kreativ­branche erhöhen
  • Erfahrungen und Expertise austauschen
  • Hindernisse für die berufliche Entfaltung erkennen und überwinden
  • Unternehmer:innengeist wecken


Und wenn wir frustriert sind, dass sich alles so lang­sam ver­ändert, dann be­stärken wir uns und machen uns klar, dass Wut, Leiden­schaft und Optimis­mus der Treib­stoff für Ver­änder­ung sind.

„Revolutions are often set in motion when a group of preconditions awakens individuals, fires them up, and leads them to believe that life could be different and better.“

Claudia Goldin 5

Wir erinnern uns durchaus daran, dass das Projekt Women of DDC und die Reihe Learn & Burn anfangs einige Hürden zu über­winden hatten und vielleicht an manchen Stellen immer noch haben. Für einen offenen Aus­tausch sind wir immer bereit. Die weite Sicht­bar­keit der DDC Women und der Erfolg der ersten Learn & Burn-Reihe bestärken uns darin, dass wir mit un­se­rem Engage­ment einen positiven Effekt bewirken.

Deshalb freuen wir uns, dass nach anfäng­licher Skepsis Learn & Burn nun das Motto für den gesamten DDC für das Jahr 2024 ist. Die Reihe Learn & Burn wird im Wechsel mit unserem Wett­be­werb WAS IST GUT in einem zwei­jährigen Rhythmus statt­finden. Das bedeutet auch, dass das über­nächste Learn & Burn im Jahr 2026 sein wird. Das ist das Jahr, in dem die Region Frankfurt RheinMain Word Design Capital wird. Dann wird Learn & Burn im Zeichen der „Atmospheres for a better life“ stehen. Dafür lohnt es sich zu brennen und immer wieder Neues zu lernen.


Wer mehr über die Women of DDC wissen will:
https://ddc.de/de/puls/women-of-ddc.php

Noch zu viele Design-Jurys sind männlich besetzt:
https://ddc.de/de/magazin/noch-zu-viele-jurys-sind-maennlich-besetzt.php

Women for Democracy:
https://ddc.de/de/magazin/review-women-for-democracy.php

DDC Lab for Female Leadership / Learn & Burn 2021:
https://ddc.de/de/magazin/review-learnandburn.php

Das Design der Zukunft ist weiblich und divers – von Katja Lis:
https://ddc.de/de/magazin/das-design-der-zukunft-ist-weiblich-und-divers.php

Quellenangaben

1 Hooks, Bell: „Feminism is for everybody: passionate politics“, Cambridge 2000

2 Statistisches Bundesamt: Pressemitteilung Nr. 036 vom 30. Januar 2023
WIESBADEN – Frauen haben im Jahr 2022 in Deutschland pro Stunde durch­schnitt­lich 18 % weniger verdient als Männer. Wie das Statistische Bundes­amt (Destatis) mitteilt, erhielten Frauen mit durch­schnitt­lich 20,05 Euro einen um 4,31 Euro geringeren Brutto­stunden­verdienst als Männer (24,36 Euro). Im lang­fristigen Ver­gleich sank der unbe­rei­nigte Gender Pay Gap: Zu Beginn der Messung im Jahr 2006 betrug der geschlechter­spezifische Verdienst­abstand noch 23 %. Nach wie vor ist der un­be­reinig­te Gender Pay Gap in Ost­deutsch­land deut­lich kleiner als in West­deutsch­land: In Ostdeutsch­land lag er im Jahr 2022 bei 7 %, in West­deutsch­land bei 19 % (2006: Ost­deutsch­land: 6 %, Westdeutschland: 24 %).

3 https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Arbeitsmarkt/Qualitaet-Arbeit/Dimension-1/frauen-fuehrungspositionen.html
Nur knapp jede dritte Führungs­kraft (28,9 %) war 2022 weiblich. Dieser Anteil ver­änderte sich seit 2012, dem Zeit­punkt der Ein­führung der aktu­ellen Klassifi­kation, nur wenig (+0,3 Pro­zent­punkte). Im Zeit­raum von 1992 bis 2011 stieg der Anteil von Frauen in Führ­ungs­positi­onen von 25,8 % auf 30,3 % an, wobei diese Werte mit den aktu­ellen Ergeb­nissen nur einge­schränkt ver­gleich­bar sind.

4 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1098311/umfrage/frauenanteil-in-fuehrungspositionen-in-der-eu/
Europäische Union: Anteil von Frauen in Führ­ungs­positionen, aufge­schlüs­selt nach Mit­glieds­staat im Jahr 2022, Deutschland 29,2 %. In Lettland waren 2022 rund 44,7 Prozent aller Führungs­positionen im Land mit Frauen besetzt – mehr als in jedem anderen EU-Mit­gliedstaat oder Kandi­daten­land. Im Durch­schnitt der EU-27 war 2022 etwas mehr als jede dritte Führ­ungs­kraft weiblich (35,5 Prozent). Deutsch­land posi­tio­niert sich mit einem Anteil von 29,2 Prozent weib­licher Führungs­kräfte klar unter dem EU-Durchschnitt.

5 Career and Family: women’s century-long journey toward equality / Claudia Goldin (ausge­zeichnet mit dem Nobel­preis Wirt­schafts­wissen­schaften 2023) Princeton Uni­versity Press, Princeton & Oxford

Judith Augustin

Künstlerin und Designerin, lebt und arbeitet in Frankfurt am Main. Ihre Design­agentur StudioAugustin ist speziali­siert auf Branding, Web­sites und Social Media und bewegt sich an den Schnitt­stellen von ana­logen und digi­talen Gestaltungs­möglich­keiten. Sie enga­giert sich als Host der DDC Women’s Tables, ist Mit­initi­ator­in des DDC Lab for Female & Diverse Leader­ship Learn & Burn und Rätin für Ge­schlech­ter­gerech­tig­keit und LGBT*IQ im Deutschen Designtag.

studioaugustin.de



Annette Bertsch

Diplomdesignerin und Master of Business Adminis­tration. Seit 2010 Honorar-Profes­sorin Design­man­age­­ment im Fach­be­reich Produkt­gestalt­ung der Kunst­hoch­schule Kassel. Seit über drei Jahr­zehnten ist sie selbst­ständig tätig; bis 2005 als Geschäfts­führ­erin und Inhaberin der Bertsch & Bertsch GmbH, einer Agen­tur für Corporate Identity und Corporate Com­muni­ca­tion; seitdem stra­tegische Berater­in im Bereich Marken-Ent­wick­lung und Trans­formations­be­gleitung bei BERTSCH Brand Consul­tants in Frankfurt am Main.

www.bertschbrandconsultants.de



Sophie Dobrigkeit

studierte Kommuni­kations­design in Offen­bach, Paris und Los Angeles. Sie lebt und arbeitet an der Berg­straße und führt das Studio Dobrig­keit Design. Als Grün­der­in der experi­men­tell forschenden Gruppe OUGRAPO arbeitet sie an der Schnitt­stelle von Sprache und Grafik. Sie lehrt mit Fokus auf Design­methodik und ent­wickelte mit den grasp ateliers eine digitale Fort­bildungs­reihe für kultur­elle Bildung. Seit 2021 ist sie gemein­sam mit Judith Augustin Host der DDC Women’s Tables.

dobrigkeit-design.de



Claudia S. Friedrich

Co-Managing Partner bei zweigrad Design. Claudia studierte Industrie­design an der Muthesius Hoch­schule für Kunst und Gestalt­ung und hat eine Design­manage­ment Aus­bildung in London absol­viert. Seit über 20 Jahren ent­wickelt sie in enger Kollabo­ration mit Partnern aus der Indus­trie- und Medizin-Branche Inter­face und User Experi­ence Design Strategien. Heute leitet Claudia Friedrich die Business Unit Inter­face Design bei 2° und ist Vorstand im DDC.

www.zweigrad.de



Katja Lis

ist Kommunikationsdesignerin (HfG Offenbach am Main, University of the Arts London), Unter­nehmerin und Co-Gründern der Agen­tur dbf.design. Sie ist Designerin des Buches „HerStories in Graphic Design“, Rätin im Deutschen Design­tag, Beirätin für Diversity im DDC und Mit-Initi­ator­in der Event­reihe Learn & Burn sowie der Women of DDC – die Platt­form zur Stärk­ung von Sicht­bar­keit, Ver­netz­ung und Unter­nehmer­innen­tum für Gestalterinnen.

www.dbf.design



Silke Schwarz (Urheberin des Titelbildes)

ist eine in Berlin lebende Konzept­künstlerin. Ausgehend von Sound, Video, Per­for­mance und In­stal­lation setzt sie sich mit Sprache und dem weib­lich kon­notierten Körper aus­einander. Schwarz studierte in Leipzig (HGB), New York (Hunter College) und Berlin (UdK), wo sie als Meister­schülerin abschloss. „Always on Display“ entstand während ihres Stipendi­ums des Goethe-Instituts Barce­lona und be­schäf­tigt sich mit Film­material und Negativen des Casa Planas Archivs.

www.schwarzsilke.de