DESIGN DISKURS
Wir müssen uns entscheiden, was uns wirklich wichtig ist, was unsere Werte sind. Und Haltung beweisen. Die alten Werte und Regeln dienen uns als Material für das neue „gute“ Design – das uns alle in die Lage versetzt und dazu langfristig ermächtigt, diese wichtigen Entscheidungen selbst treffen zu können.
Design ist eines dieser großen Wörter unserer Zeit. Es fühlt sich mächtig an. Wer es für sich nutzen kann, scheint zumindest alles richtig zu machen. Design Thinking, Designermöbel, Designergene. Design wird inflationär genutzt als ein Wort, das irgendwie für Gestalten steht, für kreativ Erschaffenes, für gutes Aussehen – je nachdem, was durch seine magische Aura mit Wert aufgeladen werden soll.
Es ist ähnlich wie mit Nachhaltigkeit. Alles ist irgendwie nachhaltig, wenn man nur die Zusammenhänge richtig baut. Alles ist irgendwie Design, wenn man es genau betrachtet. Beide Worte werden häufig zu einem bloßen Anstrich, einer Verpackung, um die Dinge bekömmlicher zu machen, zu verschleiern oder besser wirken zu lassen. Aber gerade als Designer*innen in unserer Zeit müssen wir uns stärker denn je ins Bewusstsein rufen, dass es sich bei ihnen jedoch nicht nur um sprachliche Gebilde handelt, sondern um grundsätzliche Ansprüche. Ansprüche an unsere Gesellschaft, an Unternehmen – und nicht zuletzt an uns, die wir gestalten.
Gutes Design muss sich die Frage stellen: Geht das auch anders (als bisher)? In unserer jetzigen Zeit kann das Wort „gut“ im Kontext mit Design durchaus als Synonym für „nachhaltig“ gesehen werden. Und es ist eine unbedingte Anforderung, ein Bedürfnis unserer Zeit: Gutes Design sollte nachhaltig sein. Dabei sind wir, als Gestaltenden, gezwungen, beiden Worten wirklichen Inhalt zu verleihen. Hinter die Fassaden zu treten, die darüber aufgebaut wurden und zu überlegen, wie Nachhaltigkeit designt werden kann und wie Design nachhaltig werden kann. Aber wie geht das?
Persönliche Werte
Der Weg dorthin ist für mich, zunächst die eigenen Werte in den Vordergrund zu rücken. Designer*innen müssen gnadenlos ehrlich mit sich sein, um zu guten Resultaten zu kommen. Und kritikfähig bleiben. Da geht es nicht nur um die Oberfläche, die Anmutung oder die Funktionalität eines Designs, da geht es zunächst um die Auseinandersetzung mit der eigenen Absicht und den eigenen Werten, die hinter dem Bedürfnis zu gestalten stehen.
„Obwohl wir alle eigene Werte haben, teilen wir anscheinend, ohne es zu bemerken, doch so viele davon, dass Gemeinschaft und Gesellschaft möglich bleiben.“
Dennoch – je länger wir über unsere eigenen Werte nachdenken, desto deutlicher wird: Die Definition der eigenen Werte ist anders als die der Anderen, was ich für mich als gut definiere, ist möglicherweise für andere nicht gut. Und auch das Schlechte ist davon betroffen: Was ist eigentlich schlechtes Design und kann man schlechtes Design herstellen? Das Problem bleibt auch hierbei, dass wir am Ende, trotz aller Designregeln, Marktforschung und A/B-Tests nicht wissen, wen unser Design erreicht und welche Wirkung es über die Zeit entfaltet. Am Ende erweisen wir vielleicht sogar mit gutem Design einen Bärendienst. Binäres Denken bringt uns also nicht weiter. Über intendierten Wert und Mehrwert eines Designs nachzudenken hilft nicht. Die Frage nach dem Wert ist eine, die sich in den Relativismen unserer Zeit und auch in der Logik der Ökonomie auflöst. Wert hat nur, was Wert schafft.
Bei all dieser Ungewissheit bleibt aber eine Konstante: Obwohl wir alle eigene Werte haben, teilen wir anscheinend, ohne es zu bemerken, doch so viele davon, dass Gemeinschaft und Gesellschaft möglich bleiben. Wir können also Vertrauen darin haben, dass die Grundlagen geklärt sind – auf alte, gute und schlechte Werte können wir uns verlassen. Sie sind vorhanden, sie wurden bereits geschaffen, sie können unser Material sein, wenn wir sie im Prozess des Gestaltens wertfrei betrachten. Denn jetzt geht es um uns und unsere persönlichen, neuen Werte. Wie schaffen wir es, Design zu nutzen, um sie in die Welt zu bringen? Wer teilt sie und für wen wollen wir gestalten, wenn nicht für uns selbst?
Das ist ein Weg aus dem Relativismus und den alten Vorstellungen von gutem Design. Das ist die Möglichkeit es anders zu machen als bisher: Bewusst zu entscheiden, was wir tun möchten, ist der Weg zu gutem Design. Wir gehen ihn durch beständiges Arbeiten, Reflektieren, Herausfordern und Verwerfen – mehr als durch reines Entwerfen. Entscheidungsfähigkeit ist das, was dabei in den Mittelpunkt rückt, sowohl für Designer*innen als auch für die Nutzer*innen unserer Designs. Und mit der Entscheidungsfähigkeit gehen Entscheidungskraft und Entscheidungsfreude einher, denn Design wird am Ende Mehrwert stiften.
Mehrwert und Nachhaltigkeit
Dieses Mehrwert stiften – das steht in direktem Zusammenhang mit Nachhaltigkeit. Nachhaltig ist, was über die Zeit hinweg seinen wahren Wert entfaltet, nicht, was den Warenwert vervielfacht. Betrachtet man das jahrzehntelange Greenwashing von Dienstleistungen, Produkten und Unternehmensmarken, dann kommt Design eine tragische Rolle zu: Der Mehrwert war hier stets, die gewohnte Weise der Wertgenerierung zu bewahren. Eine Weise, die unsere Lebensgrundlage allmählich zerstört. Design wurde als Verschleierung der wahren Werte genutzt – die Werte von Designer*innen und Rezipient*innen blieben dabei ebenfalls kaum sichtbar. Wir müssen weg von der grünen Hülle, dem sozialen Anstrich, der Oberfläche der Produkte und es stattdessen durch Gestaltung möglich machen, die bestehenden Wertschöpfungsprozesse zu ergründen, Bestehendes neu zu verwerten. Das ist der Mehrwert, den Design jetzt liefern kann und das meine ich auch mit der vorher angesprochenen Ehrlichkeit. Wir müssen mit uns ehrlich sein: über die Förderung von Rohstoffen, die Herstellung von Produkten, die Ziele von Unternehmen und ihrem Markenkern.
„Design wurde als Verschleierung der wahren Werte genutzt – die Werte von Designer*innen und Rezipient*innen blieben dabei ebenfalls kaum sichtbar.“
Am Ende ist die eigentliche Frage beim Thema Mehrwert von Design: Wie kann ich auf der Grundlage von Bestehendem Neues schaffen? Wie kann ich einen Herstellungsprozess, ein altes Produkt, eine alte Marke, ein altes Unternehmen so designen, dass bisher in ihnen verborgene Funktionen zum Vorschein kommen? Denn in den meisten Dingen ist ihr Mehrwert bereits enthalten. Intelligentes Design bedenkt dabei nicht nur die Filetstücke der Ressourcen, die für die Herstellung eines Produkts notwendig sind, sondern auch die Abfälle und gibt ihnen die Chance auf ein neues, wertvolles Leben.
Mehr( )Wert durch Ermächtigung
Wir wollen Werte schaffen. Werte, die bleiben. Dinge, auf die wir stolz sein können. Wenn wir fragen, was gutes Design ist, müssen wir uns selbst antworten, denn von anderen können wir keine klare oder zu uns passende Antwort erwarten. Was gutes Design ist, wissen wir am Ende erst, wenn es sich in Nutzung befindet, wenn es sich in das Leben einfügt.
Wichtig ist nicht, ob die Definitionen und Regelsätze von „gutem Design“ ewig gültig bleiben. Die Frage ist, welche von ihnen uns als Gestalter*innen dabei helfen, die für uns richtigen Entscheidungen zu treffen. In unserer Gegenwart, in diesem Moment der Welt- und Design-Geschichte ist gutes Design immer nachhaltiges Design. Wir können Nachhaltigkeit gestalten, so dass sie nicht nur als harte, kahle Notwendigkeit verstanden wird, sondern dass ihre wahre Schönheit, ihr Wert sichtbar wird. Wir können ökonomische Zwänge mit Sozialem und Ästhetik vereinen. Wir können Verantwortung übernehmen für die Produkte, die Marken, die Welten, die wir gestalten.
Aber dazu müssen wir uns entscheiden, was uns wirklich wichtig ist, was unsere Werte sind. Und Haltung beweisen. Die alten Werte und Regeln dienen uns als Material für das neue „gute“ Design – das uns alle in die Lage versetzt und dazu langfristig ermächtigt, diese wichtigen Entscheidungen selbst treffen zu können.
Wer mehr zum DDC Wettbewerb WAS IST GUT 2023 wissen möchte: www.ddc.de/de/wettbewerb/was-ist-gut-2023/infos.php