DESIGN DISKURS

An­läss­lich sei­nes 35-jäh­ri­gen Be­ste­hens hat der Deut­schen De­sign Club zu ei­nem Event am 25. No­vem­ber 2024 nach Frank­furt am Main in den Vitra Show­room ein­ge­la­den. Ein Pro­gramm-High­light war das Ge­spräch mit dem DDC Mit­grün­der Tas­si­lo von Grol­man und Eli­sa­beth Bud­de, dem ers­ten weib­li­chen Mit­glied im Club, über die An­fän­ge des DDCs.

Veröffentlicht am 05.02.2025

Mar­ti­na Metz­ner: Lie­ber Tas­si­lo, als ich 2018 als Re­dak­teu­rin zum DDC ge­sto­ßen bin, war mei­ne Vor­stel­lung, das ist so ein Club von ein paar Her­ren, die sich ge­müt­lich im Klub­ses­sel rä­keln, Zi­gar­ren rau­chen und sich ge­nüss­lich auf die Schul­ter klop­fen. Rich­tig oder falsch?

Tas­si­lo von Grol­man: Nein, es war doch ein biss­chen an­ders, vor al­len Din­gen ha­ben wir kei­nen Rot­wein ge­trun­ken, son­dern wir ha­ben al­le Weiß­wein ge­trun­ken, weil ich ein­fach Weiß­wein-Trin­ker bin. Die ers­ten Tref­fen fan­den bei mir zu­hau­se in Ober­ur­sel statt, in mei­nem Ate­lier.

Aber dre­hen wir die Uhr noch et­was wei­ter zu­rück. Ich war im­mer et­was ir­ri­tiert, dass die Wer­ber beim ADC nicht auch De­si­gner in ih­ren Rei­hen auf­nah­men. Das war die An­triebs­wur­zel. Ich dach­te mir: Wir müs­sen uns be­merk­bar ma­chen, der In­dus­trie ge­gen­über, wie gut wir sind. Und das muss nach au­ßen dar­ge­stellt wer­den. Ich bin kein Ver­bands­mensch, aber ei­nen Club fand ich ganz gut, wo man sich trifft und dann ein gu­tes Es­sen und gu­ten Wein da­zu hat. Da kann man dann über die Zu­kunft von De­sign re­den, dach­te ich mir. Au­ßer­dem brauch­ten wir die Leu­te, die im De­sign et­was zu sa­gen ha­ben, näm­lich In­dus­trie­ver­tre­ter wie Klaus Jür­gen Maack von Er­co zum Bei­spiel oder Rolf Fehl­baum von Vi­tra.

Elisabeth Budde, Tassilo von Grolman. Bilder © Anna Kirchner

Mar­ti­na Metz­ner: Und wie ging es kon­kret wei­ter?

Tas­si­lo von Grol­man: Dann ha­ben wir tat­säch­lich mit sie­ben Leu­ten un­ter­schied­li­cher Dis­zi­pli­nen ei­nen Ver­ein ge­grün­det: mit Lo­thar Erd­mann, Olaf Leu, Gerd Mül­ler, Chris­ti­an Ste­gu­weit, Joa­chim Sten­ger und Hans Wel­ling. Zu Be­ginn konn­ten wir die Mes­se Frank­furt da­von über­zeu­gen, uns Räum­lich­kei­ten für un­se­re Aus­stel­lun­gen zur Ver­fü­gung zu stel­len. Da wa­ren Aus­stel­ler wie Mer­ce­des oder BMW und De­si­gner wie Ales­san­dro Men­di­ni und An­na Ca­s­tel­li Fer­rie­ri dabei. Auch der Designer Die­ter Sie­ger war zu die­sen Zei­ten sehr ak­tiv.

Martina Metzner: Heu­te hat der DDC rund 250 Mit­glie­der. 1989, als der DDC ge­star­tet ist, wa­ren es 34 Mit­glie­der. Wie war das da­mals mit der Or­ga­ni­sa­ti­on des Clubs?

Tas­si­lo von Grol­man: Ich muss sa­gen, mei­ne Frau Dag­mar von Grol­man hat 50 Pro­zent ih­rer Ar­beits­zeit für den DDC ver­wandt. Wenn Dag­mar nicht ge­we­sen wä­re, wä­re der gan­ze Club nicht ent­stan­den. Dag­mar hat die gan­zen Aus­sen­dun­gen ge­macht und so wei­ter. Sie war ei­gent­lich das Herz­blatt der An­fän­ge des DDC. Lei­der ist sie be­reits 2018 ver­stor­ben.

Mar­ti­na Metz­ner: Das tut uns leid.

Martina Metzner im Gespräch mit Elisabeth Budde und Tassilo von Grolman zur 35-Jahres-Feier in Frankfurt am Main. Bild © Anna Kirchner

Mar­ti­na Metz­ner: Eli­sa­beth, nun zu dir. Du hast ja vie­les im DDC mit vor­an­ge­trie­ben und hast Hö­hen und Tie­fen er­lebt. Was sind für dich die Mi­les­to­nes des DDC?

Eli­sa­beth Bud­de: Stich­wort Eh­ren­amt. Ich woll­te wirk­lich was tun. 1987 bin ich nach Frank­furt ge­kom­men und ha­be hier als stell­ver­tre­ten­de Lei­te­rin des Rat für Form­ge­bung an­ge­fan­gen. Dar­über ha­be ich re­la­tiv schnell Tas­si­lo ken­nen­ge­lernt, eben­so Chris­ti­an Ste­gu­weit, der bei Ro­sen­thal mein Kol­le­ge war. Dann bin ich zur Mes­se ge­wech­selt und ha­be die ers­ten Aus­stel­lun­gen des DDC mit­er­lebt. De­sign spiel­te da­mals ei­ne be­son­ders gro­ße Rol­le, wir sind je­des Jahr al­le nach Mai­land ge­pil­gert, um Neu­es zu se­hen. Tas­si­lo frag­te mich, ob ich nicht Lust hät­te, beim DDC mit­zu­ma­chen, der Club sei in­ter­dis­zi­pli­när, und das reiz­te mich be­son­ders. Ich bin ja Kom­mu­ni­ka­ti­ons­de­si­gne­rin, aber ich war nie in ei­nem klas­si­schen Be­rufs­ver­band für Kom­mu­ni­ka­ti­ons­de­si­gner.

Ma­ri­na Metz­ner: Zu Be­ginn des DDC lag der Schwer­punkt auf dem Pro­dukt­de­sign, oder Tas­si­lo?

Tas­si­lo von Grol­man: Ja, al­so den Schwer­punkt ha­be ich na­tür­lich für In­dus­tri­al De­sign ge­legt, aber ich ha­be auch sehr viel Pa­cka­ging­de­sign und Gra­fik­de­sign ge­macht. Da­her sind mir die Kom­mu­ni­ka­ti­ons­de­si­gner sehr na­he. Und als ich As­sis­tent bei Ar­nold Bo­de war, der Va­ter der do­cu­men­ta in Kas­sel, da frag­te er mich: Grol­man, wo steht dein Pro­dukt? Das steht auch im­mer in der Ar­chi­tek­tur. Al­so von der Ar­chi­tek­tur bis zur Ty­po ist al­les mit­ein­an­der ver­bun­den. Die­se in­ter­dis­zi­pli­nä­re Ar­beit und Per­spek­ti­ve sind sehr wich­tig.

„Ich wollte möglichst alle Disziplinen da drin haben.“

Tassilo von Grolman

Mar­ti­na Metz­ner: Kom­men wir noch­mal auf die Mei­len­stei­ne zu spre­chen …

Eli­sa­beth Bud­de: Tas­si­lo woll­te im­mer mit gro­ßen Un­ter­neh­mern zu tun ha­ben. Das ist ihm ja auch ge­lun­gen. Aber was mir auch noch be­son­ders gut ge­fal­len hat, war sei­ne Le­bens­art. Es wur­de im­mer gut ge­ges­sen. Meis­tens hat Tas­si­lo ge­kocht, wenn wir in Ober­ur­sel ein­ge­la­den wur­den. Als Vi­tra als För­der­mit­glied ge­won­nen wur­de, ent­stand dar­aus die DDC Ta­fel­run­de. Es gab in­ter­es­san­te Vor­trä­ge in ­gu­ten Re­stau­rants, ein­fach tol­le Aben­de. Dann ha­ben wir die DDC Kan­ti­ne in frü­hen Jah­ren mit Mal­te Just und Tho­mas Feicht ge­grün­det. Da­für wur­den jun­ge Bü­ros ge­be­ten, Vor­trä­ge zu hal­ten und hin­ter­her gab es zu­nächst in der Stä­del-Kan­ti­ne und dann im Vi­tra Show­room im­mer ge­sel­li­ge Din­ner.

Mar­ti­na Metz­ner: Viel­leicht kön­nen wir noch was zum Wett­be­werb sa­gen, Tas­si­lo. De­si­gner*in­nen be­wer­ten De­si­gner*in­nen …

Tas­si­lo von Grol­man: Ge­nau, wir ha­ben mit dem Kon­zept, dass De­si­gner an­de­re De­si­gner be­wer­ten, Maß­stä­be ge­setzt. Da­mals ha­ben wir uns die Ide­en von Kurt Wei­de­mann und auch Die­ter Rams zu Nut­ze ge­macht und ha­ben ge­sagt, okay, in dem Sin­ne wer­den wir die­se Be­wer­tung vor­neh­men. Das be­deu­tet, dass wir ei­ne ge­wis­se Hal­tung ha­ben. Und mit die­ser Hal­tung ha­ben wir ein Pro­dukt oder ei­ne Ar­beit be­wer­tet.

Mar­ti­na Metz­ner: Da­mit kom­men wir zu ei­nem an­de­ren The­ma, näm­lich das The­ma der Frau­en im DDC und da hat Eli­sa­beth na­tür­lich auch vie­les zu be­rich­ten. Frau­en im DDC wa­ren am An­fang noch nicht so prä­sent, peu à peu ka­men sie dann da­zu. Heu­te sind wir bei ei­nem Frau­en­an­teil von 30 Pro­zent. Wie hast du das Gan­ze mit­er­lebt und wo ste­hen wir heu­te, Eli­sa­beth?

Eli­sa­beth Bud­de: Als ich vor 27 Jah­ren in den DDC ein­ge­tre­ten bin, hat­te ich als Kom­mu­ni­ka­ti­ons­de­si­gne­rin – ich hat­te mich mitt­ler­wei­le selbst­stän­dig ge­macht – ei­gent­lich nur Män­ner als Auf­trag­ge­ber. Die Frau­en wa­ren in der zwei­ten oder drit­ten Ebe­ne. Heu­te ist es fast um­ge­kehrt, ich ha­be haupt­säch­lich Auf­trag­ge­be­rin­nen. Da­mals war es auch un­ge­wöhn­lich, dass ich ei­ne Agen­tur ge­grün­det hat­te, auch noch ei­ne GmbH.

„Es war dann ganz normal, dass ich die einzige Frau zwischen diesen Kerlen im DDC war und dann auch noch das jüngste Mitglied.“

Elisabeth Budde

Ich ha­be mich dann sehr ge­freut, als im­mer mehr Frau­en in den Club ka­men. Bibs Hoss­ack-Robb aus Mün­chen kam da­zu, dann Sil­via Olp aus Stutt­gart. 2019 hat dann die jün­ge­re Ge­ne­ra­ti­on ge­sagt, war­um ma­chen wir nicht die Wo­men of DDC? Heu­te steht der DDC ganz wo­an­ders und wir ha­ben ei­nen di­ver­sen Vor­stand mit vie­len Frau­en.

DDC Exkursion ins Vitra Haus in Weil am Rhein, 2010 (von links nach rechts): Erika Koch, Dagmar von Grolman, Tassilo von Grolman, Silvia Olp, Uli Weber, Marlis Weber-Raudenbusch, Niko Gültig, Elisabeth Budde, Thomas Baumgarten, Christian Daul, Bernhard Lüthi, Wolf Udo Wagner, Peter Zizka, Oliver Hesse. Bild © DDC

Mar­ti­na Metz­ner: Tas­si­lo, wenn du heu­te auf den DDC schaust: mit wel­chem Ge­fühl?

Tas­si­lo von Grol­man: Al­so ich ha­be mich un­heim­lich ge­freut, dass der DDC sich so gut ent­wi­ckelt hat. Es gibt na­tür­lich ei­nen gro­ßen Wer­muts-Trop­fen, weil jetzt mehr Kom­mu­ni­ka­ti­onsde­sign, Cor­po­ra­te De­sign und sol­che Din­ge im Vor­der­grund ste­hen und we­ni­ger das In­dus­tri­al De­sign. Ich hof­fe, dass der DDC wei­ter wächst und wür­de mich na­tür­lich auch freu­en, wenn er in die­sem Be­reich auch wach­sen wür­de. Ge­spannt bin ich schon auf die World De­sign Ca­pi­tal Frank­furt Rhein­Main 2026.

Mar­ti­na Metz­ner: Ganz zum Schluss, Eli­sa­beth, an­ge­lehnt an die 35 Jah­res Kam­pa­gne des DDC, was ist dein DDC Ge­fühl?

Eli­sa­beth Bud­de: Al­so das ist ganz klar das Netz­werk. Es sind hier so vie­le da­bei, die ich so vie­le Jah­re schon ken­ne, ver­folgt ha­be, was sie fach­lich ma­chen. Und ich fin­de es ganz gro­ßar­tig, wie sich un­ser Wett­be­werb ent­wi­ckelt hat. Es geht nicht nur dar­um, was am bes­ten ge­stal­tet ist und ei­ne ho­he Qua­li­tät hat, son­dern um ganz neue Di­men­sio­nen in her­aus­for­dern­den Zei­ten der Trans­for­ma­ti­on. Und dass neue Ge­ne­ra­tio­nen nach­wach­sen.

Mar­ti­na Metz­ner: Vie­len Dank an euch bei­de, für die­sen kurz­wei­li­gen und per­sön­li­chen Rück­blick auf 35 Jah­re DDC.

Elisabeth Budde

Di­plom De­si­gne­rin, geb. 1959 in Bre­men, stu­dier­te An­fang der 1980er Jah­re in Kiel Kom­mu­ni­ka­ti­ons­de­sign und star­te­te ih­re be­ruf­li­che Lauf­bahn bei Ro­sen­thal. Von dort zog sie die Po­si­ti­on der stell­ver­tre­ten­den Fach­li­chen Lei­te­rin beim Rat für Form­ge­bung nach Frank­furt am Main. Da­nach wech­sel­te sie zur Mes­se Frank­furt. 1991 folg­te die Selbst­stän­dig­keit mit Trans­pa­rent De­sign Ma­nage­ment. Di­ver­se Vor­trä­ge im In- und Aus­land, Ju­ry-Tä­tig­kei­ten so­wie zahl­rei­che eh­ren­amt­li­che Ak­ti­vi­tä­ten ge­hö­ren be­rufs­be­glei­tend bei ihr da­zu. Gut 30 Jah­re ist sie Mit­glied im Deut­schen Werk­bund Hes­sen und bald 25 Jah­re im Deut­schen De­si­gner Club.

 

Tassilo von Grolman

1942 in Iser­lohn ge­bo­ren, hat­te Tas­si­lo von Grol­man ei­ne Aus­bil­dung zum Ma­schi­nen­schlos­ser bei AEG ab­sol­viert, be­vor er an der Hoch­schu­le für Ge­stal­tung in Kas­sel In­dus­trie­de­sign stu­dier­te. An­schlie­ßend sam­mel­te er Er­fah­run­gen in Wer­be­agen­tu­ren und Ar­chi­tek­tur­bü­ros wie TBWA und Lür­zer/Con­rad in Frank­furt/Main. Seit 1975 war er mit ei­nem ei­ge­nen De­si­gn­bü­ro im Pro­dukt-, Ver­pa­ckungs- und Cor­po­ra­te De­sign tä­tig. 1989 gründe­te er zu­sam­men mit Lo­thar Erd­mann, Olaf Leu, Gerd A. Mül­ler (†), Chris­ti­an Ste­gu­weit, Joa­chim Sten­ger und Hans Wel­ling (†) den Deut­schen De­sign Club. 2011 zog Tas­si­lo von Grol­man nach Ber­lin.